Die Schäferin vom WeidenHof

Nebla und die Nebelschafe

Freya und die Geburt ihrer Lämmer

Die Zeit der Geburten scheint nun vorüber zu sein. Es gibt noch ein Mutterschaf, welches nicht gelammt hat, aber entweder hat die im nächstmöglichen Zyklus aufgenommen – was also heißt, dass sie ein später Nachzügler werden würde, oder sie ist nicht tragend geworden. Passiert auch immer mal. Ist im Prinzip nicht anders als in der Menschenwelt. Nicht alle kriegen ihre Kinder wie sie es gerne hätten. Warum sollten andere Lebewesen anders sein, nur, weil sie anders heißen? Aber hier wollte ich ja über die stattfindenden Geburten sprechen.

Alle anderen Mütter haben ihre Lämmer also schon. Und jedesmal ist es wieder einer der spannendsten Aspekte der Lammzeit für mich, zu sehen, wie unterschiedlich die Mütter sind. Jede hat ihre eigene Persönlichkeit, ihre eigene Art mit dem Geburtsstress umzugehen und sich ihrer neu geborenen Lämmer anzunehmen. Eigentlich müsste man das mal miterleben, um zu erfahren, wie sich das für den Schäfer anfühlt. Ich kann nur versuchen, zu schildern was ich sehe und daran erlebe.

Freya zum Beispiel. Sie war eine der ersten Moorschnucken, die auf dem Weidenhof einzog und hatte damals als erste unser erstes, echtes WeidenHof-Lamm geboren. Damals wusste der abgebende Schäfer nicht, wie alt sie ist und somit kann ich nur anhand der Zähne vermuten, in welchem Lebensabschnitt sie steckt. Ihre Schneidezähne sind lang, also muss sie schon etwas betagter sein. Ich schätze sie auf sieben Jahre ungefähr. Das heißt für sie, dass die diesjährige Geburt vielleicht ihre letzte war, je nachdem wie sie sich im Sommer entwickelt. Wenn sie fit bleibt, darf sie vielleicht nochmal, aber wenn die Zähne nicht mehr gut sind und sie nicht wieder gut zunimmt, würde eine erneute Trächtigkeit zu anstrengend für sie werden. Es wird sich zeigen. Dafür ist Freya allerdings ein erfahrenes und sehr selbständiges Mutterschaf. Das sind die Dinge, die mir Freude machen. Sie mäht und zeigt an, dass es losgeht. Dann aber legt sie sich hin und veratmet ihre Wehen ziemlich gelassen und guckt mich dabei an, als wollte sie sagen „Is was? Ich mach das schon….“ Irgendwann sehe ich, dasss sie zu pressen anfängt. Erfahrene Mutterschafe wie Freya lasse ich dann tunlichst erstmal in Ruhe, denn sie kommen in ihren Fluss und finden am besten durch die Geburt, wenn man sie nicht unnötig aufschreckt und stört. Also hocke ich mich möglichst klein in eine Ecke und beobachte. Oder tue etwas unauffällig anderes, räume ein bisschen auf und schaue ab und zu heimlich rüber, wie weit die Dame ist. Wenn grad mehrere gelammt haben, kann ich in der Zeit nochmal nach den ganzen neugeborenen Lämmern sehen und überprüfen, ob das mit dem Stillen auch gut klappt. Die Gebärende führt derweil ihren Geburtstanz auf. Schafe scharren kleine Geburtskuhlen mit den Vorderläufen, in die sie sich dann reinlegen. Nach ein paar Wehen stehen sie wieder auf, drehen sich dahin, wo ihr Hinterteil lag und riechen am Boden. Manchmal muss ich dabei schmunzeln, denn es sieht fast so aus, als würden sie sagen: „Mist, immernoch nicht raus, muss nochmal…“ Wenn schon etwas Fruchtwasser abgegangen ist, kann es auch sein, dass sie anfangen, daran zu lecken. In diesem Geburtswasser und -Schleim sind wehenfördernde Hormone enthalten, dieses Zeuch befindet sich später natürlich auch auf dem Lamm und hilft der Mutter, ein eventuelles zweites Lamm gut durch den Geburtskanal zu bekommen oder die Nachgeburt auszustoßen. Wenn das Lamm noch nicht draußen ist, dreht die Dame nochmal eine Runde. (Jede Frau, die schon einmal geboren hat oder jede Hebamme weiß, dass Bewegung für die Geburt hilfreich ist.) Manchmal suchen sie sich einen besseren Platz, um eine neue Geburtskuhle zu scharren, manche Mütter kommen hartnäckig an denselben Platz zurück, den sie zu Beginn der Geburt ausgesucht haben.

Freya hatte drei Plätze. Der erste war direkt neben dem Zaun. Oh Mist. Ein neugeborenes Lamm, welches in den Stromzaun tapert. Gibt nichts Blöderes. Na gut, dachte ich, ich bin ja dabei. Soll sie machen. Zum Glück hatte Freya meine Gedanken wohl mitbekommen – oder sie hatte es sich aufgrund ihrer Erfahrungen selbst nochmal überlegt, denn sie wählte zum Schluss einen gemütlichen Platz neben den Nadellaubästen, die wir den Schafen zum Knabbern hingelegt hatten. Sehr schön. Alles entspannt. Freya scharrte, legte sich wieder und fing an zu pressen. Und ich sah, dass unter ihrem Haarkleid etwas hervorlugte. Bald hast du es geschafft, Freya! Aber nein, die Gute stand wieder auf und dabei sah ich, dass der Knubbel, der da rausguckte, ein bisschen zu dick war. das heißt, dass nicht die Vorderfüße gucken, sondern der Kopf! Lehrbuchmäßig kommen die Vorderfüße, auf denen dann der Kopf liegt und dann flutscht der Rest des Körpers hinterher. Kommt der Kopf, soll man die Füße drunter hervorziehen, damit die lehrbuchmäßige Lammhaltung hergestellt ist. Aber wie das Leben so ist, es ist ganz oft nicht lehrbuchmäßig und gerade bei Tieren ist es wichtiger – oder zumindest genauso wichtig – sich auf sein Gefühl zu verlassen. Also behielt ich alle Lehrbuchmeinungen im Kopf und beobachtete mit dem Bauchgefühl weiter. Beim Aufstehen flutschte das Lamm natürlich zurück. Na toll. Un nu? dabei war sie doch so gut bei der Sache. Ok, eine Chance noch. Schnucken und Schnuckenlämmer sind oft etwas robuster als Lehrbücher. Mal sehen. Das Schaf ist fit und entspannt, dazu erfahren und selbstsicher und dass das Lamm nun wirklich durch den Geburtskanal will, ist noch keine fünf Minuten her. Also, ruhig Blut, Frau Schäferin, die Freya macht das schon.

Freya legte sich wiedermals hin und versuchte nun, das mit der Geburt durchzuziehen. Man sieht die Anstrengung, das Dickschädellamm da hindurchzubekommen, aber auch ihre Ruhe und ihre Zuversicht, dass die beiden das zusammen irgendwie schaffen würden.

Für mich sind das dann immer wieder aufregende Momente. Oh Mann, der Kopf guckt und das Lamm will atmen. Sekunden fühlen sich wie Stunden an und ich muss mich meist immer wieder selbst zurückhalten. Jeden anderen Schafhalter hätte ich schon wegen unterlassener Hilfeleistung … ah, war noch keine fünf Minuten her. Ruhig Blut….. Manchmal muss ich mich bremsen, damit ich nicht alles selbst mache. Schließlich sind es immernoch Schafe und können manchmal mehr, als wir ihnen zutrauen. Außerdem erfreue ich mich der Vorzüge einer alten Landschafrasse, da sieht es ein wenig anders aus als bei dicken Fleischmähdels. Ok, NOCH eine Chance. Die eine noch. Und wenns dann nicht plöppt, helfe ich ihr. Beim Aufstehen rutschen die ausgetretenen Lammteile natürlich immer wieder zurück und müssen wieder nach vorne geschoben werden, wenn sich die Mutter wieder hingelegt hat. Also mal sehen, wie weit die beiden das diesmal schaffen. Ich ließ Freya eine kleine Runde drehen, sich wieder hinlegen und war innerlich bereit, das blöde Händi wegzuschmeißen und die Ärmel hochzukrempeln. Wie so oft, gerade wenn man entschieden hat, das zu tun, löst sich alles von alleine. Freya legte sich ordentlich ins Zeug und dann kam sie: eine wunderschöne Freya-Tochter, die anfangs sichtlich Schwierigkeiten hatte, sich in ihrem Rest der Eihäute vorwärts zu bewegen.

Meist dauert es so ungefähr zwanzig Minuten, bis das zweite Lamm geboren wird. In der Zeit leckt die Mutter ihr erstes Lamm trocken, zumindest so weit, wie sie kommt, bis die nächste Geburt sich ankündigt, grummelt ihr Mama-mähen und prägt sich dabei den Geruch ihres Lammes ein, während das Lamm auf die Mutter und ihre Stimme geprägt wird. So finden die beiden sich später in der großen Herde wieder. Als Freya und ihr Lamm die ersten Minuten für sich hatten, habe ich mir ihr Lämmchen geschnappt, damit beide in den Folientunnel gehen können, wo die Mutterschafe untergebracht sind. Im weichen warmen Stroh war es meiner Ansicht nach gemütlicher für eine Geburt, als auf der kalten harten Erde, noch dazu mit Kötteln gespickt. Außerdem lässt Freya sowas mit sich machen. Manche Mütter lässt man auch lieber dabei in Ruhe, denn sie laufen aufgeregt zum Ort des Geschenes zurück, spüren die nächste Geburt kommen und sind aber verwirrt, wo denn ihr erstes Lämmchen geblieben ist. Freya kam tiefenentspannt mit mir mit, immer ihrem Lamm hinterher, was ich vorsichtig, ihr mit der Bauchseite und dem Kopf zugewandt vor ihr hergetragen habe. Ich legte das Lamm da ab, wo ich, wenn alles vorbei wäre, die Box für die neue Familie bauen würde und Freya dann erstmal Futter und Wasser bekommen würde. Im Stroh konnte sich ihr erstes Lamm besser auf den Beinen halten und wollte direkt auch schon Richtung Euter. Allerdings ging von da an der Rest recht schnell. Freya legte sich hin und presste wieder. Was man im Stroh nicht sah, war, dass das Lamm wohl richtig lag und als sie aufstand, direkt auf die Welt sauste….

Man sieht, wie ihr erstes Lamm schon völlig fit angesichts der anstrengenden Kopfgeburt im Stroh herumstakst. Mama bekommt das auch sehr souverän hin, einerseits ihr erstes Lamm im Blick zu behalten und andererseits ihr zweites zu gebären. Als es dann ganz spontan draußen war, hat Mama sich natürlich sofort gebührend gekümmert…

Andere Stallbewohner schauen auch schon mal vorbei, wie denn die neue Spielkameradin aussieht und die frisch gebackene Mutter sortiert ihre Kinder. Meine kleine Tochter hört man im Hintergrund auch noch, sie war völlig erstaunt, dass die süßen, knuffeligen, puscheligen Lämmchen in ihren ersten Lebensminuten relativ matschig und schleimig sind. „Mama, was da aus die Freya rauskommt – ist aber bäh!“ war ihr erster Kommentar auf eine ihrer ersten bewusst erlebten Schafgeburten in ihrem jungen Schäferinnenleben. Was habe ich gelacht und mich gefreut, dass Kinder erleben dürfen, wie es so zugeht in der Natur und was Wirklichkeit ist – fern von Werbebildern, lila Kühen und konservenmilchtrinkenden Teddybären….  Das ist das echte Leben und hier sind grad zwei neue Leben ans Licht der Welt gekommen. Wie schön.

Genauso war ich froh, dass ich Freya habe machen lassen und mich zurückgehalten habe. Ihre Lämmer waren topfit, sie selbst überglücklich und wir alle erfreut und erheitert über diese Bilder. Das zweite Lamm schien es sogar recht ernst zu meinen mit ihrem Dasein in der neuen Herde und krabbelte auch gleich – als Mutti schon ordentlich geputzt hatte und sie ihre Beine frei hatte – wie ein pflichtbewusstes großes Schaf auf die Frau Schäferin zu….

Wir haben für Freya dann die Box mit frischem Stroh eingestreut, sie und ihre Lämmer darin gebettet, Freya bekam ihre Versorgung mit frischem Heu, Wasser und einem Schüsselchen Hafer, um sich von den Anstrengungen der Geburt zu stärken. Die Mütter trinken erstmal zeimlich viel nach der Geburt, freuen sich über den Hafer und nehmen sich dann ausgiebig Zeit, ihre Lämmer zuende zu putzen. Irgendwann dazwischen werden die Nabelschnurreste mit Jod desinfiziert, damit es keine Nabelentzündungen gibt. Wenn alle wohlauf sind, begeben sich die Lämmer dann sehr zielstrebig Richtung Euter und alsbald hört man ein zaghaftes Schmatzen und sieht ein Lämmerschwänzchen wackeln. Die erste Milch, die Biestmilch, versorgt die Lämmer mit den immunstärkenden Globulinen gegen alle möglichen herdenspezifischen Keime. Meist ist sie auch sehr fettig und gibt den Lämmern dadurch Kraft. Wenn das alles erledigt ist, muckeln sich die drei dann immer einmal ein und gönnen sich eng zusammengekuschelt eine Verschnaufpause. Und dann geht das mit dem Säugen los. Ungefähr 60 mal am ersten Tag. Immer kleine Schlückchen. Und aus den „bäh-Lämmern“ werden puschelige, winzigkleine, aber dennoch richtige Schafe.

Freyas Geburt war sozusagen fast eine Bilderbuchgeburt. Und sie selbst eine sehr entspannnte Mutter. Anders war es bei Esther, auch eine erfahrene Moorschnuckenmama. Sie bekam ihre Lämmer am späten Abend, als ich meine Stallrunde machte und der Hof schlief. Esther rannte recht nervös im Stall rum und schien keinen Platz zu finden. Sie hechelte stark und schaute mich immer wieder fragend an, ob ich denn nicht wisse, was los sei. Aber da sie ein eher zurückhaltendes Schaf ist, ließ sie mich natürlich auch nicht so gerne an sich rankommen. Also ließ ich sie erstmal und beobachtete verstärkt. Das erste Lamm war da und ich holte beide ebenfalls – wie bei Freya – rein. Esther folgte mir nicht so gelassen, sie meckerte und schaute aufgergt nach ihrem Lamm. Deshalb schloss ich gleich die Box, damit sie nicht wieder davonlief und ich sie in der Dunkelheit der Nacht besser unter Kontrolle hatte, da im Stall Licht ist und ich nicht durch den finsteren Auslauf rennen musste. Während ich sie zur Ruhe kommen lassen wollte, damit der Weg für das zweite Lamm gebahnt werden konnte, fütterte ich die anderen Schafe, füllte die Wassebehälter nach und machte meine übliche Runde bei den anderen Kinderstuben. Immer wieder mal ein prüfender Blick zu Esther, aber nichts geschah. Ich war mir ziemlich sicher, dass ein zweites folgen würde, da keine Nabelschnur raushing, was meist das Ende der Geburt anzeigt. Sie scharrte und scharrte, leckte ihr erstes Lamm und drehte sich im Kreis. Das hatte sie draußen auch getan. Und hechelte. Sie scharrte dabei so tiefe Löcher, dass ich dachte, gleich hat sie sich durch die Strohmatte durchgegraben. Als ich alle möglichen Arbeiten erledigt hatte, hockte ich mich auf dem Rand der Futtertische an den Raufen und drehte mir eine Zigarette. Hm. Esther schaute mich aus ihrer Box mit großen Augen an. Und drehte und scharrte und hechelte. Legte sich hin, stand auf, legte sich hin, leckte ihr Lamm. In der Zwischenzeit war Finni zu mir gekommen, der Bock und Vater all dieser Lämmer und schaute genauso besorgt in die Box wie ich. Esther blickte von mir zu ihm und wieder zurück. Finni lehnte sich an meine Seite und guckte kritisch zu mir herüber. Wir zwei kamen uns vor, wie die Väter, die rauchend vor dem Kreißsaal warten… Nach insgesamt inklusive Fütterungsarbeiten einer knappen Stunde wurde es mir dann zu bunt. Ok, Finni, dann machen wir mal Hebamme…. Ein bisschen war mir, als würde er sagen, endlich hat sie es kapiert, denn er trottete wieder von dannen. Es half nix, die aufgeregte Esther musste nun auch noch auf die Seite gelegt werden. Ach, ich liebe es, Geburtshilfe bei panischen Schafen zu machen. Spätestens aber, wenn die Schafe spüren, dass die Hand erneute Wehen auslöst und irgendwie kapiert haben, dass dieser Mensch eigentlich nur was ganz Hilfreiches veranstaltet, beruhigen sie sich wieder und machen mit. Und so hatten wir recht schnell zusammen ein kleines Mädchen auf die Welt gebracht, nachdem ihr erstes, ein dicker Bock, schon darauf wartete, dass es endlich mal etwas zu trinken gäbe. Im Nachhinein glaube ich verstanden zu haben, dass Esther ein Schaf mit einem Faible für Wehenschwäche ist. Und das kleine Mädchen war wohl zu klein, um nochmal ordentliche Wehen auszulösen.

Wieder ganz andes war die Geburt von Nurans Lämmern. Bei der Frühabendkontrolle füllte ich Heu und Heulage auf, wobei alle, die gerade dazu in der Lage waren, immer angerannt kamen. Nuran sorgt immer sehr für sich und ist meist eine der Ersten an der Raufe. Als sie sah, dass ich füttere, stand sie auf, stutzte und ließ fast sekundenplötzlich ihre Ohren tief hängen. „Oh-oh“ schien das zu sagen. „Ich glaub es geht los.“ Nuran ist eine der letzten Milchschafdamen. Sie schaute mich einmal an, wie um sich zu vergewissern, dass ich es wahrgenommen habe und verkrümelte sich in eine Ecke und fing an zu hecheln. Ein paar Mal lief sie hin und her und steuerte dann zeilstrebig auf eine der leeren Boxen zu. „Ich nehm die hier.“ „Oh, Nuran, gehts los?“ fragte ich sie noch und sie schaute mich mit riesigen Augen an und ließ ihre Ohren noch mehr hängen. Tatsächlich, es geht los. Na gut, dachte ich, erste Anzeichen, kann ja noch ein paar Stunden dauern, ich geh mal Abendessen, bring die Kinder ins Bett und sehe dann gemütlich, wie weit sie ist. Zwischen Abendessen und Kinder ins Bett bringen, bot sich mein Mann an, mal nach dem Schaf zu sehen. Ja, sagte ich, mach mal, aber dauert noch. Vom Stall aus erreichte mich dann per Händi die Nachricht: das Erste ist da! Da Nuran und ich eine sehr lange Geschichte miteinander haben, wollte ich eigentlich gerne bei der Geburt ihrer Lämmer dabei sein. Außerdem macht sie immer interessante Lämmer und ich war schon gespannt, was diesmal herauskommen würde. Situationswechsel, der Mann übernahm die Kinder und ich flog zum Stall, aber zu spät. Das Zweite lag schon da – musste eben gekommen sein – und schüttelte seine Ohren frei. Rasante Turbogeburt. Gibts auch. Ihre Lämmer sind wie immer toll. Zwei Mädchen, obwohl ich dachte, da wären bestimmt vier drin, so dick wie sie war. Aber es waren zwei Riesenlämmer. Eins schwarz, eins weiß. Zwei Schwestern, die im Doppelpack nun den Stall erobern und so schnell wachsen, dass sie die viel früher geborenen Lämmer schon größenmäßig fast überholt haben. Schneeweißchen und Prinzessin, da die Schwarze sich gebärdet wie als wüsste sie, dass ihre Mutter direkt vom Ur-Leitschaf und der Ahnfrau der Nebelschafherde abstammt. Aber sie werden noch „richtige“ Namen bekommen müssen, wenn sie hier bleiben. Und das werden sie wahrscheinlich….

Irgendwie ist immer ein bisschen Wehmut mit dabei, wenn die Lammzeit zuende geht. Es ist zwar auch anstrengend, mit nächtlichen Arbeitszeiten, verwirrten Erstlingsmüttern, Hebammentätigkeit, nachgeburtlichem Fieber, dummbeuteligen Lämmern oder Euterentzündungen oder was sonst noch alles passieren kann, aber es ist genauso unglaublich schön. Es gibt kaum eine intensivere Zeit im Jahr mit den Schafen und selten bin ich so extrem nah an den Persönlichkeiten der einzelnen Tiere dran. Erstlingsmütter, die bis dahin noch keinen Namen hatten, zeigen mir spätestens dann, wer sie so sind und ich werde mit ihnen vertraut und weiß ihren Namen plötzlich. Erfahrene Mütter sind einfach toll zu beobachten, wie sie das alles übernehmen und sich von meinen Fütterungsarbeiten und besonders der medizinischen Versorgung fast gestört fühlen. Lämmer, die anfangen in der Box zu springen und mir anzeigen, dass es Zeit wird, rauszugehen, freuen mich besonders. Denn dann weiß ich, dass Mutti gut säugt und die Bäuchlein stets voll sind. Meine Schafpflege zeigt ihr Ergebnisse – wenn die Schafe im vorangegangenen Jahr gut versorgt waren, der Parasitenstatus im Griff ist, laufen die Geburten gut und die Lämmer sind dick und rund. Und es ist jedesmal schön, wenn aus der Wochenbettbox, die ich je nach Schaf nach zwei bis vier, fünf Tagen wieder öffne, eine neue kleine Schaffamilie stolz in die Herde marschiert.

Auf die Art sind nun 42 Lämmer gekommen. Nur vier Lämmer dabei, die zugefüttert werden müssen, eine Mutter hat verlammt und ein Lamm ist am Tag nach der Geburt gestorben. Insgesamt ein ziemlich gutes Ergebnis. Vielleicht kommt ja noch ein Nachzügler. Aber ich glaub es fast nicht. Jetzt ist erstmal Kindergarten angesagt. Darüber berichte ich später.

 

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

3 Kommentare

  1. gabi 10. April 2017

    gerade erst deinen letzten Eintrag entdeckt. Tolle Doku!!
    Toll geschrieben!!
    bis morgen Gabi

  2. Nadine- Marie Märker 24. Februar 2020

    Hallo
    Auf der Suche nach Informationen zum Thema Lamm Zeit hab ich Ihren superschönen Blog entdeckt. Jeden einzelnen Eintrag hab ich mit Freude und mehrere Male mit Tränen in den Augen gelesen.
    Vielen Dank für die Infos und den Einblick in Ihre Herde und Ihre Arbeit.
    Freu mich schon auf viele neue Einträge.
    Darf ich Ihren Blog auf Facebook in einer Gruppe für Schaf- und Ziegen Halter verlinken
    LG Nadine

    • Schaeferin 24. Februar 2020 — Autor der Seiten

      Hallo Nadine,
      vielen Dank für das besondere Lob. Natürlich dürfen Sie verlinken, gerne. Momentan stecke ich mitten in der diesjährigen Lammzeit, wenn ich und meine Mähdels da durch sind, gibt es wieder etwas zu lesen.
      liebe Grüße

Antworten

© 2024 Die Schäferin vom WeidenHof

Thema von Anders Norén