Die Schäferin vom WeidenHof

Nebla und die Nebelschafe

Krisenzeiten Teil 2

25. März 2020

Der Gemüseacker wäre dann fast soweit… es ist Frühling. Wie sagt man so schön? „Läuft.“ Wie absurd und wie tröstlich zugleich. Fast könnte es ja unangemessen sein, sich einfach nur zu freuen. Die Sonne ist durchgebrochen, die letzten verregneten Wochen mit ihren sturmkalten Nächten im Schafstall sind vorüber, Wiesen sind geschleppt und wir warten schon auf die Weidesaison, die Schafe werden schon an Frischfutter gewöhnt und jetzt bricht auch der Garten los. Das ist immer so. Jedes Jahr wenn ich mit meinen Mähdels, die vor Milch strotzend, mit zerzauster Wolle und dicken Lämmeranhängseln von Stall zu Wiese laufen und dabei ein ganzes Konzert der schäfischen Intonationen von sich geben, selbst anfange, im Stall ächzend die Raufen nachzufüllen, dann ist Ende März. Dann tummeln sich auf einmal ziemlich viele Gärtner nebenan und an mir vorbei rauschen Traktoren – feldauf, feldab. Für das ungeübte Auge mag es schwarze Erde sein, aber ich kann schon förmlich die vielgestaltigen Pflänzchen sehen, die alsbald sorgfältig aufgereiht bis zu den Horizonten dieser Felder reichen werden. Verschwitzt und reichlich übermüdet stehe ich dann ab und an in meinem viel zu warmen Schafstall, der bald wieder die Sommerkulturen beherbergen wird, und muss lächeln. Wir werden bald auf die Weiden ziehen und die Schafe werden sich laben am frischen Gras, das ihnen in die Mäuler wächst. Sie werden dösen und träumen in den lauen Sommernächten, in der Mittagshitze im Schatten der Hecken kauen, während auf dem Acker all die guten Dinge geerntet werden, die in ihrer Vielfältigkeit Eure Körbe und Teller füllen werden. Wie schön! Durch jeden dunklen Winter kommen wir hindurch und werden beschenkt werden mit der Fülle des Sommers. Diese Gewissheit haben wir. Immer. Denn das Leben geht diesem Kreislauf nach seit Jahrtausenden. Ach, was rede ich – viel länger, als wir es uns je vorstellen könnten, auch wenn wir meinen, ein gewisses zeitliches Verständnis der Weltentwicklung zu haben. Und so vergessen wir vielleicht viel zu leicht, dass da draußen aber gerade das Leben erwacht. Mit dem Vogelzwitschern kommt die Wärme und auf unserem kleinen Hof wird das Essen für das angebrochene Jahr angebaut.

Leider sind die aktuellen Ereignisse ein wenig zeitversetzt zum jahreszeitlichen Geschehen. Oder vielleicht ist das auch ganz gut so, denn so kann ich sagen: Es ist tröstlich, denn es läuft einfach. Alles andere wird auch wieder laufen, egal wie, wenn auch anders. Und das Wesentliche und Wertvolle können wir gerade zusammen entdecken. Den Wert eines lieben Wortes, den stillen, verständigen Blick, den Halt und Trost eines aufmunternden Lächelns, die Freude einer einfachen, guten Mahlzeit, den Frieden beim Anblick einer wohl versorgten Tierherde. Und während ich so über diese Momente Ende März sinniere, fällt mir ein Teil eines Liedes meiner Lieblingsmusikerin zu, in dem sie singt: „Schlammig und gelb liegt das Feld jetzt da und die Sonne scheint müde und trübe, aber irgendwann ist es bunt und hell und leise und schön. Überall Goldpapier, ich hab´s funkeln sehen, es ist bunt und hell und leise und schön….“

26. März 2020

Beim Füttern der Ziegen kamen mir zwei Gedanken: zum einen ist es ja so, dass die drei Damen ihr Leben hier verbringen werden, ohne Lebensmittel zu produzieren, dafür aber beschützen sie die Hühner vor dem Habicht. Da sie noch nicht lange da sind, sind wir in der Eingewöhnungsphase und man merkt, wie sensibel solche Tiere auch immer sind. Ruhe und Zuspruch, Stabilität, Verlässlichkeit und vor allem ehrliche Kommunikation – das heißt, dass auch das passiert, was man kommuniziert und nicht taktiert wird, dass man das kommuniziert was wirklich ist – im innen wie im außen. Das alles brauchen wir Menschen genauso wie die Tiere, um uns sicher und wohl fühlen zu können. Und wenn das ganze erstmal läuft, dann ist es höchst spannend, was da passiert: zwei völlig unterschiedliche Wesen können sich gegenseitig Halt geben.

Zum anderen wird bei Tieren, die eben nicht der Lebensmittelproduktion dienen wieder klar, wie abhängig wir von internationalen Handelsstrukturen sind. Die Ziegen sind wenige, wir haben einen kleinen Deal: sie passen auf die eierlegenden Hühner auf und ich behandele sie gut. Also bringe ich mit, was immer mal so anfällt. Neben ein wenig Heu und Mineralfutter von den Schafen bekommen sie halt ein paar Möhrchen, die hier und da abfallen, Kohlrabi, trocken gewordenes Brot. Reste eben, die immer mal anfallen. So wie seit eh und je die Tiere und die Menschen sich zusammengefunden haben. Es fällt was ab, die Tiere freuen sich darüber und binden sich dafür an den Menschen. Bei den Schafen ist das schon anders. Ich verlange eine gewisse Leistung von ihnen, um die Menschen, die wir mit Lammfleisch versorgen, auch alle versorgt zu bekommen. Noch stärker ist das bei den Hühnern. Da sie wöchentlich für genügend Eier sorgen sollen, haben sie auch einen hohen Bedarf. Futterkomponenten kommen von sonstwo – sonst würde der hohe Leistungsstandart, der den Hühnern auch im Biobereich abverlangt wird – nicht erfüllt werden können. Auch wenn im Biobereich schon auf vieles verzichtet wird, kein Soja, kein dies kein das, …. Aber ganz ohne zusätzliche Nährstoffe können auch Hühner nicht die hundertfache Menge eines wilden Ur-Huhns produzieren….

Was sagt uns das in Zeiten, in denen Grenzen geschlossen werden und Handel zwischen den Kontinenten ins Wanken gerät, wobei wir doch alles darauf aufgebaut haben? Ich weiß es auch nicht, weil ich auch nur ein kleines Menschlein dieser Erde bin, aber dass ich kritisch darüber nachdenke, kommt wohl unverhohlen aus diesem Beitrag heraus. Wie schön, wenn man von dem, was einen umgibt, auch leben kann. Wenn nicht die Welt in Frage gestellt werden muss, wenn irgendwo anders eine Katastrohe ausbricht. Vielleicht können Katastrophen im Allgemeinen auch besser aufgefangen werden, wenn ein lokales System sich schnell wieder selbst regulieren kann? Ich weiß es nicht. Angesichts der Zahl der Weltbevölkerung mag ich auch kein abschließendes Urteil darüber abgeben, sondern nur Dinge andenken und versuchen, zumindest in meinem Umfeld wirksam zu sein.

Wie gerne kehre ich dann einfach zu meinen Tieren zurück und genieße den Moment der Begegnung, wenn wir das Gefühl haben, dass wir zusammengehören. Dass wir uns gegenseitig etwas geben und füreinander da sind. Einfach so, ohne Hintergedanken, ohne alternative Fakten, sondern ganz und gar so, wie es im Moment jetzt und hier ist. Und wenn meine kleine Ziege genüsslich ihr verfressenes Mäulchen in das steckt, was ich ihr mitgebracht habe, freue ich mich, dass auch sie einen sinnvollen Zweck erfüllt, ganz ohne „Lebensmittelproduktion herself“. Sie passt auf die Hühner auf, die noch kleiner sind als sie und dabei ist es nur eine Zwergziege…. Wir alle können auf unsere Weise also einen sinnvollen Platz im Leben einnehmen, egal wie klein wir sind oder wie klein wir uns sehen. Es gibt immer jemanden, der noch kleiner ist, noch schutzbedürftiger und dem wir etwas von unserer Größe schenken können, von der wir manchmal viel mehr haben, als wir uns zutrauen.

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