Die Schäferin vom WeidenHof

Nebla und die Nebelschafe

Krisenzeiten

Hier wird es eine Reihe Texte geben, die in der Zeit enstanden sind und entstehen, in der wir alle nicht sicher sind, wie sich die Zeiten weiter entwickeln werden und was aus uns wird. Ein Sammelsurium aus Gedanken, eine kleine Chronik der Bewältigung der Krisenzeiten auf unserem Hof, während ein Virus die Welt den Atem anhalten lässt. Was geschieht, wenn wir langsam wieder aus unseren Häusern hervorkommen werden, um vorsichtig nachzuschauen, was aus der Welt geworden ist? Wie wird sich die Welt uns dann zeigen und vor allem, was wird das alles aus uns gemacht haben? Wir sind nicht ohnmächtig, zumindest nicht ganz. Es gibt Dinge, die wir nicht ändern können, ja. Wir können einem Virus nicht verbieten, sich zu entwickeln. Aber gleichzeitig haben wir die Freiheit, uns zu entwickeln, unser Miteinander und unsere Art, mit uns und der Welt umzugehen. Es gibt genug Ideen, Utopien und Fragen: „was wäre wenn….“ wir das Unmögliche wagen und die schönsten Menschlichkeitsideen in die Tat umsetzen? Dazu braucht es nur ein klein wenig Mut. Und Hoffnung – egal was passiert. Veränderung liegt an uns.

19. März 2020

Schwierige Zeiten und große Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen haben wir gerade und stehen uns bevor. In all dem ist es gut zu wissen, dass Demokratie, Freiheit, Wissenschaft, klarer Menschenverstand und Humanität gleichzeitig Werte unserer heutigen Gesellschaft sind, für die wir lange gekämpft haben in der Menschheitsgeschichte. Und jetzt können wir all das unter Beweis stellen. Achtsam miteinander umgehen, sich aktiv beteiligen an Maßnahmen zum Infektionsschutz und nicht die vergessen, die am dringendsten Hilfe benötigen. Mit Ruhe und Bedacht handeln, wobei es hilft, zu versuchen, die Aussagen der Experten versuchen zu verfolgen – auch wenn wir alle keine Virologen sind – und demgemäß besonnen die Infektionswelle ausrollen lassen und nicht in Panik verfallen. Keine Falschmeldungen glauben oder verbreiten, denn sie führen weder zu einem friedlichen Miteinander noch zum Handeln mit klarem Menschenverstand.

Auch wir auf unserem Hof haben aufgrund der Corona Krise spürbar mit Herausforderungen zu tun. Auch wir müssen für uns und den Hof einkaufen, auch wir haben normalerweise recht viele Menschenbegegnungen im Alltag, die wir nun anders gestalten. Auch wir müssen verstärkt darauf achten, ob wir Hofbewohner oder Gäste gesund sind oder uns krank fühlen. Das alles ist nicht einfach – für uns alle.

Und wiedermal sind es die Tiere, die in einem flüchtigen Moment ein Lächeln auf den Gesichtern der Menschen hervorbringen. Was haben die Schafmütter dieses Jahr in der Lammzeit zu kämpfen gehabt…. Auch in der Schafwelt gibt es schafspezifische Krankheiten, das Wetter war viel zu warm und die hochtragenden Mütter lagen keuchend im warmen Winterregen. Und als die Lämmer geboren wurden, gab es kalte, nasse Nächte, Sturm, der durch den Stall mit den Kinderstuben zog und drei der Mütter hatten sogar Verluste zu beklagen. Aber mit Hingabe und Liebe, Fürsorge und ruhigem Nachdenken und Handeln haben wir im Schafstall all das zusammen gemeistert. Und heute sehe ich meine Schafmütter, wie sie stoisch weiter alles geben für das Leben selbst und ihre schutzbedürftigen Lämmer in ihre Mitte nehmen. Wie in dieser Mittagspause vor zwei Tagen, in der die Mütter still und stark einen Kreis bilden, in dem die Kleinen behütet liegen. Und wisst Ihr was? Nach fünf langen Wochen Regen, Sorge und Sturm ist es jetzt die Zeit für die Schafe geworden, in der sie friedlich in der Sonne liegen. Und so wünsche ich mir das für uns alle auch. Dass wir das zusammen meistern werden, mit Fürsorge, Ruhe und Klarheit. Ich bin sicher, dass diese symbolische Sonne am Ende auch wieder für uns scheint. Viel Kraft Euch allen – uns gemeinsam.

Viele Grüße von meinen Mähdels mit diesem Bild – vielleicht kann ich das hoffnungsvolle Lächeln auf diesem Wege ein wenig mit Euch teilen.

20. März 2020

Soziale Distanz, mediale Präsenz und menschliche Nähe – nachdem gestern so viele auf den Text reagiert haben, haben wir gedacht, wir teilen unsere Gedanken und Erlebnisse in dieser Zeit mit Euch und zeigen Euch, was auf dem WeidenHof hier und da passiert. Dies Foto ist ein alltäglich gewordenes Bild bei uns im Stall. Zwischendrin und spätestens nach getaner Arbeit wird nachgeschaut, was die aktuellen Entwicklungen sind, wer aktuell was gesagt hat und was sonst noch so los ist. Mathilda, das Schaf auf dem Bild, ist meistens dabei. Sie hat ganz früh in der Lammzeit ihr Lämmchen verloren, musste von mir ein wenig gesund gepflegt werden und ist seitdem ganz gut unterwegs. Sie ist sowas wie das Bindungsglied zwischen mir und den anderen Schafen geworden. Irgendwie hat sie öfters „Bescheid gesagt“, wenn eine Lammung anstand und mir oft das „nächste“ Schaf gezeigt. Wir hatten recht bald angefangen, im Stall zu witzeln, dass sie sowas wie eine Sekretärin oder „vorsitzende Hebammengehilfin“ geworden ist. Jetzt, da fast alle Lämmchen auf der Welt sind und wir ein wenig Zeit haben, uns abends intensiv mit den tagesaktuellen Ereignissen zu befassen, hat sie es beibehalten, bei uns vorbei zu kommen und ihre neugierige Nase in das zu stecken, was wir gerade tun. Oftmals haben wir das Gefühl, sie mache einfach mit bei dem, was wir gerade tun. Wie auf diesem Bild, als wir uns wiedermal abends im Stall nieder ließen und die Meldungen verfolgten.

Innere Stille bei den gestrigen Bildern aus Italien. Gleichzeitig können Worte dem kaum gerecht werden und ebenso will man irgendwas dazu sagen können. Aber was, angesichts solcher traurigen Momente? Wie absurd, dass die Distanzierung voneinander uns helfen wird und wir uns gegenseitig nun mehr denn je näher sein müssten – näher vielleicht als wir es jemals waren.

Mit den Schafen zu leben und zu arbeiten heißt auch manchmal, dieselbe Verletzbarkeit von Lebewesen zu durchleben und manche geliebten Wesen zu verlieren, während man versucht hat, sie zu retten. Das gilt für Mutterschafe, Lämmer oder geliebte Hütehunde. Die Erinnerung an diese beißenden Momente der Trauer lässt mich zusammenzucken, wenn ich diese Bilder sehe. Leben ist endlich und wir alle sind uns gleich in dem Wunsch zu leben und glücklich zu sein. War uns in unserem normalen Alltag vor Corona eigentlich zum Beispiel bewusst, wie wertvoll die Arbeit von Menschen ist, die Trauernde in Hospizen in ihren Tränen und Gedanken begleiten? Wie gut, wenn es in schweren Zeiten Freunde gibt, oder zumindest aufrichtig freundliche zugewandte Menschen, die zuhören, trösten, helfen und unterstützen. Diese Menschen arbeiten ohne Geld dafür zu bekommen, aus einem Gefühl der Menschenfreundlichkeit heraus. Gerade geht es nicht mehr um Einzelschicksale, von denen wir uns getrennt sehen können, so hat man das Gefühl. Die Menschheit selbst verliert gerade liebe Angehörige und wir müssen uns gegenseitig Trost und Schutz geben. Über die räumliche Distanz hinaus geistig und emotional miteinander vernetzt bleiben, egal ob in den Begegnungen in der medialen Welt oder wenn uns solche Bilder wie aktuell aus Italien erreichen.

Vielleicht hab ich auch nur leicht reden hier in meinem Schafstall, wie ist es gerade für eine Ärztin in einem italienischen Krankenhaus? So viel Gedanken und noch mehr schwirren durch den Kopf und immer sind meine Mähdels da, an denen ich mich festhalten kann. Liebe Menschen um mich herum, alles Wesen, für die ich dankbar bin, dass das Leben mir das Zusammensein mit ihnen geschenkt hat. Und immer wieder geht’s im Kern ja darum. Nicht um materielles, was wir verlieren oder zu wenig davon bekommen könnten. Es geht doch in der schönsten, sowie in der schwersten Zeit immer nur um eines: uns miteinander.

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1 Kommentar

  1. Doris De Cruz 1. April 2020

    Wunderbare Worte, ja ich empfinde die Schwierigkeiten für unser Leben in der CORONA-Zeit auch und freue mich über Eure Naturbezogenheit. Ich wünsche mir, einmal im Sommer Euch zu besuchen – bin aus Bremen. Liebe Grüße und ich esse keine Schafe!!! Doris De Cruz

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