1.April 2020
Die ständige Verfügbarkeit im Überfluss ist ein Konsumverhalten gewesen, an das wir uns gesamtgesellschaftlich gewöhnt und schließlich auch wirtschaftlich damit kalkuliert haben. Hier soll kein moralischer Zeigefinger erhoben werden denn schließlich ist freier Zugang zu Ressourcen ein wichtiges Gut – nicht alle Menschen dieser Welt können sich daran erfreuen, obwohl sie es sollten. Aber wie ist das alles verteilt und welche Wahrnehmung davon haben wir? Wieso ist Klopapier bei uns alle, obwohl die sanitären Anlagen erstmal nicht direkt von der Pandemie betroffen sind? Und wenn wir – warum auch immer – Klopapier bunkern, ist uns gleichzeitig bewusst, dass weltweit 4,3 Milliarden Menschen tagtäglich gar keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen haben?
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Konsum an sich ist nicht „böse“ oder so, nein, das ist kein weiterer Aufruf zur Askese. Sinnvoller Konsum kann sogar vieles verändern – zum Besseren für ein paar Menschen mehr. Damit auch die in Zukunft hoffentlich eine bessere Versorgungslage haben. Ich muss in den letzten Tagen mehr und nochmal anders als vorher über unser Konsumverhalten nachdenken. Was geschieht, wenn Krisen ausbrechen, wie teilen wir miteinander, wozu sind wir bereit und was geben wir ab oder was bunkern wir für uns selbst? Warum – frage ich mich oft – ist trotz der ständigen Kritik die Lebensmittelverschwendung nicht ernsthaft angegangen worden? Warum landet die Hälfte der angebauten Nahrungsmittel auf dem Kompost? Warum tonnenweise Brot im Müll, trotz intensiver Bemühungen einiger Menschen, daran etwas zu ändern. Warum machen wir das nicht einfach alle zusammen anders? Solche Krisen wie jetzt sind bekanntlich Chancen, sich auf Wesentliches zu besinnen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: wir haben keine
Nahrungskrise, unsere Landwirtschaftsministerin hat die Versorgungslage
als „gesichert“ bezeichnet. Niemand in unserer westlichen Welt hat
ernsthaft Knappheit an Nahrungsmitteln, das vorhandene Geld kann
immernoch für Konsumgüter ausgegeben werden, zumindest kennen wir keine
Situationen wie in den Krisengebieten, in denen tatsächlicher Hunger
unter den Menschen wütet. Aber wie viele hungernde Menschen gab und gibt
es derzeit immernoch? Das sind Krisen, die währenddessen ungehindert
weiter „passieren“ und wir sollten all diese Menschen auch nicht
vergessen. Und vielleicht gerade deshalb in solchen Zeiten wie jetzt
nochmal genauer überlegen, wenn die Frage aufkommt: „Und wie machen wir
danach weiter?“
Anstatt Kapitalismuskritik im immer gleichen Gewand
vielleicht ein Aufruf zu mehr Menschlichkeit und zum wirtschaften
miteinander. Oder besser: wirtschaften füreinander. Für die, die am
wenigsten haben, für die, die am schwersten an Ressourcen kommen. Und
nicht für die Konzerne, großen Firmen und Investoren. Das ist schwer in
unserer globalisierten Welt. Günstige Produktion ins Ausland verlagert,
Effizienz durch Auslagerung und Spezialisierung. Ich habe nichts gegen
Wirtschaftlichkeit der eigenen Arbeit, aber wenn wichtige
Produktionszweige einfach wegbrechen unter dem Welthandelsdruck, dann
wird es regional schwierig. Solche Erfahrungen machen wir derzeit auch.
Selbst in der Medikamentenherstellung. Antibiotika aus Indien, Plastik
und Atemmasken aus China…. Gewinner waren bis jetzt die „global Player“,
die ihre Ressourcen für ihre Produktion (Material, Rohstoff,
Arbeitskräfte (!!), Equipment) günstig einkaufen und Produkte in einer
gewissen Quantität wieder verkaufen. So in jeder Branche. Agrarindustrie
ist hier ein Reizwort, wobei die Definition gar nicht so einfach zu
sein scheint angesichts der Frage der Welternährung. Wie anders ist hier
das Bild eines kleinbäuerlichen Hofes, der auf regionalen Strukturwegen
seine Erzeugnisse an den Verbraucher weitergibt. Davon haben in den
Jahren vor der Corona-Krise um die 4000 Betriebe jährlich geschlossen,
weil sie in ihrer möglichen Effizienz nicht mit den „Großen“
konkurrieren konnten, die auf Kosten von anderen Werten günstig
produzieren konnten und proportional viel mehr Gewinn erwirtschafteten.
Die Zusammenhänge sind jedem irgendwie klar, werden oftmals beklagt und
dennoch hat sich trotz der Beteuerungen, für mehr Tierwohl und eine
umweltfreundliche Landwirtschaft im Kaufverhalten kaum abgezeichnet,
dass Menschen dann eben auch einen entsprechenden monetären Gegenwert zu
geben bereit sind. Jedenfalls ist das in seiner Gesamtheit bis jetzt
nicht in dem Maße geschehen, wie es vielleicht nötig wäre.
Was will ich eigentlich sagen in diesem Text? So viele Gedanken angerissen, so viele Themen gestreift….. Hier ist gerade nicht der Platz für eine umfassende Keule gegen das, was unser Leben vor der Krise ausgemacht hat. Es ist eher wie gesagt die Frage nach dem „Danach wie weiter?“ Und an der Stelle ist dieser Text vielleicht doch schon ein dringendes Plädoyer für regionale Produktion und Wirtschaftskreisläufe, für nachhaltige Lebensmittelproduktion und -Vertrieb, für kleinbäuerliche Landwirtschaft, für vollständige Verwertung von Lebensmitteln, für eine diversifizierte landwirtschaftliche Produktion und für eine gerechtere Verteilung von Ressourcen auf der Welt.
6. April 2020
Wie
tröstlich die Welt der Tiere ist und wie dankbar bin ich Tag für Tag
über das große Glück, so viele Tierwesen bei mir haben zu dürfen. Von
Hund über Schaf und Ziege zum Huhn – selbst die Schafstelze erfreut mich
in diesen Tagen in einem besonderen Maße und großer Eindringlichkeit.
Jeden Tag hole ich mir meinen Trost bei den Tieren, nutze die ein oder
andere Gelegenheit beim Füttern zum Nachdenken bei ihnen und erfreue
mich ihres unverstellten, einfachen Daseins. Im Besonderen ist es
momentan die Gemeinschaft der Ziegen und Hühner, die mich lächeln lässt,
inspiriert und hoffen lässt. Nicht nur, dass der Habicht nun meine
Hühner nicht mehr attackieren wird, sondern auch, dass wir Menschen von
solchen Zusammenschlüssen lernen könnten. Das Besondere ist hier, dass
unterschiedliche Wesen auf einem Fleck zusammen – gemeinsam – leben
können. Jeder hat andere Bedürfnisse – Futter, Schutz, Aufmerksamkeit,
Freiraum usw. – und dennoch geht es, dass auf einer gemeinsamen Fläche
all diesen unterschiedlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten Rechnung
getragen wird. Und dann funktioniert das Zusammenleben wunderbar.
Bleiben wir also bei Trost. Trost im wortwörtlichen Sinne, das an erster
Stelle. Trost über die Verluste, Einschränkungen und Unsicherheiten der
Zeit. Die vielen kleinen und großen Solidaritätsbekundungen in Form von
gegenseitiger Hilfe sind Ausdruck dafür, dass wir es schaffen, uns
durch unser Handeln gegenseitig zu trösten. Bleiben wir dabei und
kultivieren wir das. Dann habe ich auch keine Sorge über die Zukunft.
Aber beachten wir kritisch unser Bewusstsein, unsere innere Haltung und die daraus resultierenden Verhaltensweisen. Wir gewöhnen uns auch auf merkwürdige Weise an Zustände, die uns kurz vorher noch schockiert haben. Das Frosch-im-heißen-Kochtopf-Prinzip. In all den verständlichen und notwendigen Maßnahmen tauchen Diskussionen auf und es wird hitziger, Positionen werden bezogen und es beginnt das leidliche Dilemma des Diskutierens. In diesem Text soll nicht besser gewusst werden, wie mit Pandemien umzugehen ist, jedoch lediglich kritisch hinterfragt werden, was all das mit unserer inneren Haltung macht. Etwas, was uns als gewagt erscheint, wie Ausgangssperren und Notstand, weil es viele Wege auch in schwierige Zustände ebnet, wird durch langsame Portionierung und schrittweise Anpassung irgendwann als Normalität gehandhabt. Und nur weil wir uns an etwas gewöhnen, heißt das nicht, dass es im Alltag dann eine „normale Sache“ sein soll. Natürlich brauchen wir in schwierigen Zeiten etwas, an dem wir uns wieder festhalten können. Die Wissenschaft eignet sich dazu ziemlich gut. Und die angekündigten Antikörpertests können vielleicht wirklich eine Chance sein, einen besseren Überblick über die Gesamtsituation zu bekommen und weitere Schlüsse daraus zu erarbeiten. Das müssen wir nun alle zusammen noch aushalten, damit die Wissenschaft arbeiten kann. Das ist das eine Notwendige. Und gleichzeitig erheben sich kritische Stimmen im Kontext der Grundrechtsfrage, digitaler Datenerhebung und im Verbund mit massiver Einschränkung der Freizügigkeit. Notwendig in der aktuellen Situation von Unsicherheit und Hilflosigkeit und zum Schutz von anderen. Aber bleiben wir wach, bleiben wir bei Trost und hinterfragen kritisch unsere innere Haltung.
Ausnahmezustände konnten in der Geschichte der
Menschen oft dazu führen, dass Freiheit beschränkt wurde, dass Grenzen
verriegelt und Grundrecht anders definiert wurde. Oftmals willigen
Menschen zu „ihrem Besten“ und aus Hilflosigkeit aufgrund mangelnder
Information ein in das „neue Leben“. Also machen wir uns mehr denn je
bewusst, dass Grenzen ein riesiges Problem der Menschlichkeit sind. Dass
Menschen aus Krisengebieten der Welt vor Tod, Hunger und Zerstörung
fliehen um dann an „starken Außengrenzen“ ein weiteres mal zerschmettert
zu werden. Machen wir uns bewusst, dass Kleinbauern, die weder des
Lesens noch Schreibens mächtig sind von global Playern von ihrem Land
vertrieben werden, welches ihre Familie oftmals seit Generationen
bewirtschaftet und dann dem Hunger ausgesetzt sind. Machen wir uns
bewusst, dass die angeblich befriedeten Kriegsgebiete der Welt oftmals
weiter schwelende Wunden und Mahnmahle der Humanität sind. Lange noch
weiter sind, während wir sie schon längst wieder vergessen haben. Und
vor allem: machen wir uns bewusst, wie viele Milliarden Einzelschicksale
hinter all diesen sogenannten „Krisengebieten“ stecken.
Genauso,
wie derzeit das Schicksal Einzelner hierzulande unter dem Zusammenbruch
sozialer Netzwerke ins Schwanken gerät. Menschen mit existenziellen
Sorgen, die ihr Lebenswerk womöglich gerade verlieren, Frauen, die
keinen Platz in vollen Schutzhäusern mehr finden und mit ihren Kindern
der Gewalt nicht entfliehen können, einsame Menschen, die jedweder
Hoffnungslosigkeit erliegen. Eines der besten Errungenschaften unserer
westlichen Gesellschaft sind diese sozialen Netzwerke, unsere hart
erkämpften freiheitlichen Werte und die Demokratie, die auch wir immer
nur wieder erüben können und stetig bestrebt sind, zu verbessern. Halten
wir daran fest.
Verhalten eine Zeitlang aus sinnvollen Gründen
zu verändern, ist eben manchmal angesagt, wenn man mit klarem
Menschenverstand handeln möchte. Dennoch entlässt es uns nicht aus
unserer menschlichen Verantwortung, stets zu reflektieren, inwiefern wir
an allen anderen Grundwerten und -rechten festhalten. Es ist ein
heikles Thema, denn es soll keiner Lobby, keiner „Ecke“, keiner
einzelnen Gruppe dienen, wenn wir kritisch sind. Man kann auch kritisch
sinnvoll sich verhalten im Sinne der Menschlichkeit, woraus sich unsere
Grundfrage ergibt: kommen wir aus einer Krise, die so viele
Lebensbereiche herausfordert, gestärkt heraus im Sinne der
Menschlichkeit? Haben wir am Ende mehr Empathie? Wertschätzen wir
Freiheit stärker? Billigen wir allen Menschen dieselbe Freiheit wirklich
zu? Haben wir nach Beendigung einer Krise auch den aktuellen Zustand
anderer, sich immer noch in Krisen befindlichen Menschen bewusst?
Handeln wir auch in unserem Alltag so, dass für die „Gesamtsituation
Welt“ unser Handeln ein verantwortungsvolles ist, auch in unserem
kleinen menschlichen Rahmen von Möglichkeiten?
Ja, die Welt
befindet sich derzeit in einer Krise, in vielen Krisen. Vielen
unterschiedlichen Krisen. Und all diese müssen wir momentan irgendwie
händeln. Umso wichtiger, auch geistig „bei Trost zu bleiben“ den klaren
Blick, die Reflexionsfähigkeit und den Menschenverstand nicht zu
verlieren. Und im Verbund mit Menschenwürde für das aktuell sinnvollste
zu entscheiden. Immer. Auch nach der Krise. Diejenigen, die es momentan
„besser haben“ können stets für die anderen ein kleines Stück bewirken,
und sei es nur, indem wir immer wieder für einen Moment unser Handeln
überdenken.
Eine andere Welt ist möglich. Und sie liegt in unserer Hand.