Die Schäferin vom WeidenHof

Nebla und die Nebelschafe

Alva

Meine Nachwuchs-hütehündin ist nun 10 Monate alt. Zeit, mal wieder etwas über sie zu schreiben, denn sie wird langsam zu einem vollwertigen und wichtigen Teil meiner kleinen Schäferei. Also soll sie auch entsprechend gewürdigt werden, hier im Blog. Und zu würdigen ist sie! Und wie!

Das erste mal, als ich über Alva schrieb, kam sie gerade hier an. Sie war elf Wochen alt, hatte noch ihr puscheliges Welpenfell und stellte jede Menge Blödsinn an, wie das mit Welpen so ist. Nicht nur meine Hausschuhe, sondern zu meinem Leidwesen auch die von meinem Mann haben nun Welpenzahnmarkierungen und das obwohl ich ihm versprochen hatte, sie würde seine heiligen Wollpuschen nicht anrühren… Zum Glück überdauern Ehen in der Landwirtschaft ganz andere Krisen, da sorgen die Hausschuhe nun nur noch für einen grimmigen Blick und ein schiefes Lächeln meinerseits. Einmal hatte Alva sogar das Käsestück vom Küchentresen gemopst. Das war fast noch schlimmer als Hausschuhe. Ich wunderte mich, dass der Welpe so lange so erstaunlich ruhig ist. Wie das so ist, bei einer solchen Ruhe schwant einem nichts Gutes und man geht sofort nachsehen. Alva lag in der Küche, ihre fette Beute zwischen die Pfoten geklemmt und nagte genüsslich Schicht für Schicht vom Käse runter. Bio-Gouda. Lecker. Wieder war es mein Mann, der hinzukam und einen „ich glaubs ja nicht“ – Ausbruch bekam. Hatte ich erwähnt, dass Welpen auch manchmal Quatsch machen? Manche Dinge sind eben so….

Nicht nur Käse – auch das zerfledderte, vom Habicht getötete Huhn wird aufgestöbert und verschleppt…

Das Schöne an Alva ist allerdings, dass sie selbst im Border-Collie Maß eine  ungeheure Gelehrigkeit und Kommunikationslust hat. Sie hat sofort gecheckt, was wir von Käsedieben halten und seitdem ist unser Tisch und der Tresen mit einem imaginären Hunde-Vertreibungsmittel eingenebelt.

Ihr Zuhören und ihre menschenfreundliche, oftmals einfach nur fröhliche, aber nicht aufdringliche Art, ihre große Fähigkeit, sich kommunikativ und sicher, aber nicht dominant innerhalb von Hunde- und Menschenrudeln zu bewegen, hat ihr geholfen, dass sie von allen hier auf dem Hof ins Herz geschlossen wurde. Hier laufen Hunde, Gänse und manchmal Hühner frei herum und nicht alle sind immer nur begeistert von dem ständigen Gewusel. Alva hat es geschafft, da einfach hineinzuwachsen und um das Gewusel herumzuwuseln, stört nicht, weiß wo ihr Platz ist und gehört dadurch einfach zum Hof, als wäre sie schon immer da gewesen. Shep blinzelt mir manchmal zu, als wolle er mich erinnern: siehste, hab ich damals doch gesagt – die nehmen wir. Ja, Shep – wenn wir nur alle einander mehr zuhören würden. Nicht nur den Tieren, auch wir zwischen den Menschen…

Lhamo und Alva vor dem Zubettgehen. Sie sind schonmal vor dem Ofen eingeschlafen. Lhamo guckt so genert, weil ich sie geweckt habe, Alva war sich nicht ganz sicher, ob sie nicht noch ein paar Bauchstreicheleinheiten erbeuten könnte…

Unser Hunderudel kriegt das jedenfalls ganz gut hin. Jeder hat so seinen Platz eingenommen. Lhamo hat Alva auch ins Herz geschlossen und verbirgt das auch nicht mehr. Manchmal stromern die beiden zusammen rum. Lhamo bringt Alva das Kläffen bei (na, danke auch…) und animiert sie, ab und zu die Gänse zu ärgern, worauf Alva dann auch freudig einsteigt. Wenn wir alle zusammen unterwegs sind und Alva sich beim Anblick der Gänse in Hütehaltung begiebt, rufe ich sie mit einem tiefen Räuspern zurück. Jaja, schon gut, strahlt sie mich dann an und sprintet weiter in die Richtung, in die wir eigentlich gerade laufen wollten. Sie weiß also, wo sie sich entspannen soll und wann mal nicht „Arbeiten“ angesagt ist, obwohl da zu hütende Objekte durch Raum und Zeit schwirren. Sehr gut. Alva und Lhamo sind auch immer zusammen in der Küche bei den Futternäpfen, wenn ich sie befülle. Erst bekommt die alte Lhamo, dann Alva und manchmal weigert sich Alva zu fressen, wenn nicht Lhamo schon am Knuspern ist. Immer schön die Rang-Reihenfolge einhalten – was für ein ordentlicher Hund! Dafür darf Alva mittlerweile vor dem Ofen abends Rücken an Rücken mit Lhamo liegen und sich von der schnarchenden alten Hündin in das Traumland wiegen lassen. Das ist sehr schön zu sehen, denn in den ersten Wochen schaute Lhamo immer mal fast angewiedert auf den kleinen Welpen, wenn der körperliche Nähe suchte. Kuscheln und Raufen, Seite-an-Seite liegen bekam sie nur von Shep. Lhamo hat Alva von Anfang an erzogen. Durch Nichtbeachtung, leises Knurren und Grenzen aufzeigen – am laufenden Band, so dass es mich manchmal schon fast nervte, dass sie immer und ständig was zu meckern hatte, wenn Alva etwas tat. Auch heute noch ist es so, dass Lhamo ordentlich „Bescheid sagt“, wenn Alva sich ihrer Meinung nach ungebührlich verhält. Heute sieht das natürlich anders aus und es ist schon auch beeindruckend, wie hoch Lhamo ihre Lefzen ziehen und gleichzeitig scheinbar ihre Fangzähne langstrecken kann. Ich lasse die beiden zumeist selbst klarkommen, denn es klappt auch immer ziemlich gut. Zwar bekommt Alva manchmal auch eine Bürste, weicht dann aber immer aus, die Ohren bleiben schön tief unten… Und Lhamo reicht die Unterwürfigkeitsbekundung völlig aus. Dann ist gut. Ganz ganz selten, wenn mir das Geknurre zu heftig wird, knurre ich die beiden dann eben an und starre in Richtung Hundezicken. Alva und Lhamo sind in diesen Momenten sehr putzig. Hecheln, wuseln herum, setzen sich zu mir, haben sich entspannt und gucken fröhlich „aber das war doch nix!“ Und weiter gehts wie immer. Das ist sehr schön zu beobachten. Dass man die Tiere auch „einfach laufen lassen“ kann, dass man sich darauf verlassen kann, dass sie Interesse haben, sich einzugliedern in bestehende Strukturen, dass sie einen sinnvollen Platz finden wollen und den auch ehrlich aushandeln. Es braucht kaum „Druck“ von seiten von uns Menschen, um Dinge zu lenken, es ist viel sinnvoller mit dem, was angeboten wird, mitzugehen, sich mit in den Strudel zu geben und Entwicklungen ihren Raum zu lassen. Klarheit und Bestimmtheit, dem anderen Zuhören und eine ruhige Zuversicht sind Eigenschaften, die uns Menschen dabei besonders helfen können.

Alva und Shep sind wie ineinander verwachsen. Schon von Anfang an lagen sie oft zusammengekuschelt vor dem Ofen, er tröstete sie, wenn sie lernen musste, auch mal eine halbe Stunde in der Box ruhig zu verbringen („wann entspanne ich mich?“ – Eine der allerwichtigsten Übungen für Borders!) und er zeigte ihr alles, was man tun muss, um Schafe zu bewegen. Dieses Teamwork ist sehr schön zu beobachten. Shep trainiert Alva und ich muss nun nur noch all das mit Kommandos belegen, ihr beibringen, dass sie all das, was sie mit Shep gemeinsam tut, auch in Kooperation mit mir macht und dafür sorgen, dass die Trainingseinheiten dafür sinnvoll gestaltet werden. Wie toll. Kann man bessere Hunde haben?

Alva zeigte recht früh, dass sie großes Interesse an Schafen hat. Und irgendwie wusste sie schon immer, dass sie in der Nähe der Tiere bestimmte Dinge tun muss. Aber genauso, wie man erstmal aus dem Welpenfell herauswachsen muss, muss man auch in die Körperhaltungen hineinwachsen. Dabei hat sie so eine Natürlichkeit und  Selbstverständlichkeit, dass man meinen könnte, das wäre schon ein komplett arbeitender Hund. Sie hat keine Angst, sich Schafen entgegenzustellen oder auch mal die Zähne zu benutzen, schätzt ihre Fähigkeit aber auch recht realistisch ein. Dadurch verhält sie sich angenhem ruhig, macht punktgenaue Bewegungen und lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, wenn die Schafe nicht laufen, wie sie das will. Dann fängt sie immer mit ihren großen Ohren an zu wackeln und man sieht förmlich wie sie nachdenkt: „Hm… was mache ich jetzt? .. versuche ich es doch mal hiermit…“

Anfangs lief sie Shep einfach hinterher. Er sorgte dafür, dass sie auch zusah, was er tat, wenn er ihr etwas wichtiges zeigen wollte und sie zeigte sich als gelehrige Schülerin. Ich hab das natürlich auch ein wenig ausgenutzt und sie in vollster Konzentration abgelegt und Shep losgeschickt, wenn ich sicher war, dass sie auch aufmerksam zuschaut. So hat sie gleich von Anfang an gelernt, Schafen nicht blödsinnig hinterherzujagen, sondern effizient Bewegung, Gestik und Mimik einzusetzen, um die Schafe dorthin zu bewegen, wo es ein großes Lob von der Frau Schäferin zur Folge hat. Prima! Das wollte sie auch können. Natürlich ist so ein kleiner Flitzebogen, der kaum größer als ein Lamm war, erstmal nicht so beeindruckend und besonders an meinem Leitschaf – an Nebla – hat sie sich im übertragenen Sinne erstmal die Zähne ausgebissen…

Die ersten Begegnungen mit Nebla sahen so aus. Heute fängt Alva an, sich zu spannen, nimmt allen Mut zusammen und „zwack!“ sprang sie neulich nach vorne, um Nebla klarzumachen, dass sie nun fast ein erwachsener Hund ist. Nebla hat drei Tage darüber nachdenken müssen und lässt sich nun laaangsam, aber doch von Alva bewegen.

Aber eine Alva gibt eben nicht auf. Ich hab dem nicht so viel Bedeutung beigemessen und sie einfach immer mitgenommen. Als sie größer wurde, hatte ich immer eine Leine dabei, so musste sie also an Ort und Stelle sitzen, beobachten und warten – darauf dass sie noch größer wurde. Zwischenzeitlich haben wir, wenn wir nicht bei den Schafen waren, „lie down“ geübt. Ich hatte immer ein bisschen Respekt vor pubertierenden Hunden, die meinen, man könne Kommanos auch mal einfach so überhören. Aber nach einer gewissen Zeit, als ich es mal „zufällig“ ausprobiert habe, war ich extrem erstaunt. Denn Alva schmiss sich beim ersten „lie down“ einfach platt auf den Boden. Platsch. Lag der kleine Hund da und wartete auf Weiteres. Wow.

So wuchs unser gegenseitiges Vertrauen – sie wusste, sie hat nichts zu befürchten, außer einem schärferen Ton, denn bei mir gibts keine Haue für Hunde. Und ich merkte immer mehr, dass ich mich auf diesen kleinen eifrigen Workaholic verlassen kann, wenn ich die Anforderungen schrittweise und angemessen hochschraube. Nach dem x-ten Male „Platsch-auf-den-Boden-schmeiß“ wenn ich nur leise „lie down“ sage, dachte ich, es wäre mal Zeit, ohne Leine zu den Schafen zu gehen. Und was sah ich? Aus ihrer Lernbegierde wurden erste ernsthafte Anstalten, ein Arbeitshund zu sein.

Die ersten Welpenversuche, natürlich noch nicht ernst zu nehmen. Ihr eines Ohr hatte sie immer abgewinkelt, man sieht noch, wie sie überlegt, was nun kommen soll…

Sehr schnell war klar, dass ich sie nicht alleine zuhause lassen kann – entgegen der Empfehlungen für welpenhafte Border-Rüpel. Sie wollte mit. Und zwar ernsthaft, nicht nur weils Spaß macht. Das auch.

OK, kleine Dame, dann zeig mal, was du kannst. Dachte ich und schmunzelte immer, aber auf der Weide konnte ich nur noch kopfschüttelnd dastehen. Das gibts ja nicht, dachte ich oft – guck dir den kleinen Hund an!

 

 

 

Alva mit fünf Monaten. Auf einmal ging der kleine Hund in eine ganz offensichtliche Hütehaltung. Noch nicht fertig, aber dafür ist sie ja auch noch klein… beide Ohren stehen schon und man sah ihr an, dass sie nun loslegen wollte.

Mit einem halben Jahr fragte ich mich, ob sie schon Training bräuchte, denn sie wusste, worum es geht und wollte unbedingt formen, was da aus ihr heraus wollte. Sollte ich das nun laufen lassen, in der Gefahr, das Talent zu versaubeuteln? Ich hab lange hin- und herüberlegt, war mir sehr unsicher, denn der kleine Hund kann doch noch niemals in der Lage sein, all das geistig umzusetzen, was ich von ihr will.

Ich ließ dennoch erstmal die Stallzeit kommen, beruhigte mich innerlich immer wieder und ließ ihr noch ganz viel Spiel- und Tobezeit, bevor ich sie durch mein Eingreifen an ihrem Tun hindern würde. Ich versuchte einfach, sie nie in brenzelige Situationen kommen zu lassen und achtete besonders auf eine gute Kommunikation zu Shep, denn daran orientierte sie sich ja.

noch sieht man ein wenig Zurückhaltung….

Beim Füttern und Arbeiten im Stall durfte sie dabei sein, aber ganz lange erst nur draußen. Wieder galt es, von Shep zu lernen und den unbändigen Drang, doch mal durch die Gatter zu zwacken, in den Griff zu kriegen. Nach und nach bemerkte ich, dass auch die Schafe anders auf Alva reagierten. Erschien sie am Gatter, zogen sie sich schon mal vorsichtshalber ein wenig zurück. Und das lag nicht nur am Zwacken. Immer öfter reichte schon ihr Blick. Aha, der kleine Hund bekommt „das Auge“…. dachte ich und bestärkte sie immer, wenn sie es schaffte, die Schafe ein wenig zurückzudrücken, indem sie nur guckte. Das ging unglaublich schnell. Sie wusste, dass ich es so in der Art gut fand und übte und übte. Ihre bernsteinfarbenen Augen schienen wie kleine Feuer zu leuchten….

.. mit acht Monaten aber kann man nicht mehr von Zurückhaltung reden. Shep, ganz der Profi, guckt schon fast gelangweilt, aber Alva hat glühend ihre Bestimmung gefunden und nagelt vorbeiziehende Schafe mit ihren Blicken fest….

Mit acht Monaten war es dann soweit. Es war nicht mehr zu übersehen – Alva war fast schon ein vollwertiger Partner von Shep geworden. Einmal waren die Schafe beim Zaunstecken im Stallauslauf ausgebüchst. Herrjeh – Shep, hol die wieder! Schnell, die rennen dem Gärtner sonst durch sein Wintergemüse! Und Shep lief los, alles wie immer. „Verdammt! Der kleine Hund rennt hier frei herum.“ Dachte ich noch und malte mir schon aus, wie sie fletschend in den Schafen hing. Aber weit gefehlt. Als mein Blick sie erwischte, ließ ich fast den Zaun fallen vor Verblüffung. Instinktiv lief sie einen weiten Bogen und machte dort dicht, wo eine Lücke war, sodass sie Shep zuarbeitete, um die Schafe wieder in meine Richtung zu treiben und das alles mit einem gebührlichen Abstand und einem ruhigen, klaren und unmissverständlichen Blick in Richtung Ausbrechermeute.

Ok, alles klar, verstanden, wir fangen an mit dem Training. Und zwar jetzt. Wir fuhren also zu Alvas Herkunftsrudel, dort gab es die Möglichkeit mit ein paar Trainingsschafen zu arbeiten, denn meine Mähdels waren ja alle hochtragend und ich konnte sie nicht dafür nehmen. Auf der Wiese angekommen lief Alva los. Ohne zu beißen, schön runder Bogen, recht schnell auf die mir gegenüberliegende Position und brauchte nur zwei, drei Mal eine Richtungskorrektur und hatte verstanden, dass der Arbeitshund immer in der Runde um die Schafe läuft, sodass die Schafe beim Schäfer bleiben, egal wo der Schäfer gerade hingeht. Ach, was sag ich Training. Wir hatten einfach ein bisschen Spaß zusammen.

Seitdem hilft sie im Stall wie ein echter Arbeitshund. Ich kann zwar nicht frei laufen mit ihr und den Schafen, aber sie bekommt eben das beigebracht, was eben gerade geht. Geradeaus gehen zum Beispiel. Schafe rausdrücken und die Stalltür bewachen. Sie meistert das mittlerweile mit links, mittlerweile gibts manchmal nur nen müden Blick von ihr, wann ich denn endlich mit Füttern fertig bin. Oder sie rennt halt nochmal ein paar Runden, wenn es ihr zu langweilig wird.

„Schafe vom Gatter fernhalten, damit die nicht in den Stall stürmen… Pffff… Frau Schäferin – hast du noch ein paar interessante Aufgaben für mich?“

Shep findet das alles ganz angenehm. Ich glaube, der sorgt selbst für seine Rente. Wenn er Bock hat, macht er seinen Job, meistens hat er das noch und bewacht die Tür ebenso. Aber manchmal überkommt ihn dann doch das Alter, er „hat Rücken“ oder nicht genug geschlafen, dann gibts kurz eine Arbeitsbesprechung im Rudel und er macht dann ein kleines Nickerchen, während Alva die Schafe in Schach hält…

„Alva, weckst du mich, wenn wir fertig sind mit Arbeiten?“

De Erfahrungen mit Alva zeigen, dass man mit Geduld, Liebe und Vertrauen ganz viel erreichen kann, ohne sich die Rübe zerbrechen und irgendwelche Verrenkungen machen zu müssen. Wir können grad nicht mit Schafen laufen – sei`s drum! Dann machen wir eben was anderes. Im Stall gibt es auch kleine Trainingseinheiten und  gelegentlich können wir auch die große Runde üben, wenn Alva hinterm Zaun läuft. Da brauche ich dann auch nichts zu sagen. „Schiebe“ ich sie ein wenig weg, dann läuft sie auch hinterm Zaun auf die Border-Collie-12-Uhr-Position und steht hinter den Schafen und guckt mich an. Lie down hat das allseitsbekannte „platsch-auf-den-Boden“ zur Folge. Wunderbar. Je weicher mein Kommando, desto schneller und sanfter liegt der Hund. Ich liebe es.

Neulich habe ich sie mal mit in den Auslauf genommen, um zu testen, was sie zwischen den Schafen macht, ob sie nen Koller kriegt, weil sie endlich keinen Zaun dazwischen hat. Aber nein – nicht doch Alva! Lie down ging wie immer, geradeaus gehen geht schon fast auf Kommando – allerdings hat sie es noch schwer, in offener Fläche zu entscheiden, wohin denn nun geradeaus treiben ist. Aus dem Stall raus ist ja einfach, aber hier? Scheint aber damit zu tun zu haben, dass die Schafe von mir weg sollen. Mit ein wenig Bestärkung und Lob war auch das schnell geklärt.

… auch die Hütehaltung ist nun formvollendet…

Ein bisschen blöd ist nur, dass die Mutterschafe gerade kleine Lämmer führen und sich manchmal eben – ganz natürlich – furchtbar aufregen, wenn so ein domestiziertes Raubtier in der Herde rumläuft. Da gilt es, dem Hund entweder etwas Unterstützung zu geben, dass es nicht zu größeren Konflikten kommt oder gar nicht erst brenzelige Situationen enstehen zu lassen. Bei Shep merke ich, dass er nicht mehr unbedingt Lust auf Auseinandersetzungen hat und störrische Schafe ihm eher Unbehagen bereiten. Erstens hat man als Rentner kaum noch Zähne und zweitens hat man´s eh schon im Rücken. Alva wächst da langsam hinein, um ihm solche Dinge in Zukunft abnzunehmen, allerdings hat sie noch ihre Unbändigkeit und muss erst noch Maß nehmen lernen. Also bin ich momentan gefordert, mehr denn je aufzupassen, damit niemand – weder Schaf noch Hund – größeren Schaden nimmt. Hier gilt aber das bereits gesagte. Ich versuche einfach zu vertrauen, gehe mit dem, was gerade dran ist und warte darauf, dass wir zu dritt aus der Situation herauswachsen.

Arbeitswille, aber den Hund nicht überfordern, immer auf den Ausdruck achten und notfalls auch den Hund mal aus der Situation herausnehmen….

Ich merke bei Alva recht schnell, wenn es eigentlich nicht gut ist. Normalerweise brennt sie, glüht sie, ist hochkonzentriert, zittert leicht vor freudiger Anspannung und ihre Augen sprühen Funken, während ihre Ohren hoch aufgestellt sind. Da sie der „allerbeste Hütehund von Welt“ sein möchte, würde sie nie auf die Idee kommen, eine Situation zu verlassen oder aufzuhören, in Richtung Schafe zu starren. Manchmal, wenn alles doch noch zu viel wird, flitzt sie platt über dem Boden zu mir und legt sich bei mir ab. Dann machen wir kurz Pause, schalten emotional ab, ich streiche ihr über ihr Seidenfell und schicke sie in eine einfachere Aufgabe. Klappt ziemlich gut – danach gibts wieder die freudige Alva mit ihren bekannten bernsteinfarbenen Feueraugen…

mehr Abstand, klarere Aufgabe – Hund hat alles im Griff.

Dann nochmal. Langsam nach vorne gehen, Schafe wegschieben. Erst 10 Monate und es klappt schon hochkonzentriert und ruhig wie bei einem Alten Hütehasen….

Ich bin gespannt, wie es wird, wenn wir rausziehen auf die Weiden. Alva kann ein Wirbelwind sein und springt über Zaunlücken, kriecht drunter her, drückt sich irgendwo durch und zack – ist an meiner Seite. Oder sie rennt los und befindet sich in Sekundenbruchteilen mir gegenüber hinter der Herde. Es wird witzig. Gut, dass wir so treffsicher „lie down“ können.

Windschnittig geht auch schon….

Alva ist sehr ambitioniert, läufig war sie auch schon und ich hatte mein liebes Leid, Shep und Alva zu trennen, denn sie war mir eindeutig zu klein für Nachwuchs. Shep musste im Haus also fortan eine Männer-WG mit meinem Mann bilden und ich nahm die Damen. Zum Glück bin ich da sehr konsequent. Die kurzzeitige Trennung von Shep hat die Bindung zwischen Alva und mir nochmal verstärkt, aber das brauchten wir auch, denn läufige Hündinnen pubertieren ja und ich merkte es erst nur daran, dass lie down zwei Ansagen brauchte. Großes Fragezeichen bei mir. Der kleine Hund spielt verrückt, ist aufgekratzt und rennt wie doof. Ein paar Tgae später kamen die ersten Blutstropfen. Aha – daher weht der Wind also. Zum Glück hat sich das schnell wieder gelegt, wir müssen heute zwar gelegentlich was aushandeln, aber da arbeiten wir gerade dran. Dennoch kann ich gerade jetzt und gerade dadurch noch mehr mit ihr arbeiten. Denn sie hat durch ihr geistiges Wachstum auch erst die Möglichkeit, ein wirklich erwachsener Hund zu werden. Ich sehe, dass ich sie heute noch viel genauer lenken kann, dass ich ihr feinere Ansagen kommunizieren kann und wir nun anfangen können, wirklich Kommandos zu festigen. Wir haben wirklich begonnen, „über die Arbeit zu reden“. Und Shep beginnt, immer mehr an sie abzugeben.

Nach der Arbeit: erstmal gemeinsam ausruhen und im Flur warten, bis das Gewusel im Haus sich gelegt hat und es Abendessen gibt…

Man bemerkt es fast noch kaum, er ist noch ziemlich anwesend, arbeitet zuverlässig und zeigt mir nie, dass er nicht mehr gewillt wäre, mir zur Seite zu stehen. Aber das große Gerenne – naja, da sagt sein Blick immer öfter: „Öhm, Frau Schäferin, schick doch die Kollegin…“ Keine Frage, da sind grad zwei gleichwertige Hunde – der Alte, zwar hochprofessionell, aber körperlich nicht mehr so stark zu belasten, die Junge, noch nicht ausgebildet, aber höchst lernwillig, sanft und bestimmt zugleich und hochkommunikativ. Irgendwann wird sie ihn überholen und in ein paar Monaten wird das Bild noch ein ganz anderes sein. Wahrscheinlich wird Shep mir Bescheid sagen, wenn es soweit ist.

Bis dahin üben wir einfach weiter. Und ich bin überzeugt, dass wir das gut hinbekommen werden. Denn sie ist das Beste, was unserem Rudel geschehen konnte. Ich hätte es mir damals nie vorstellen können, wie es ist, meinen geliebten Arbeitshund zu pensionieren, ohne sich selbst dabei unglaublich mies zu fühlen. Aber es gibt so vieles, was mir zeigt, dass alles so ist, wie es sein soll: die Freundschaft zwischen Alva und Shep, das langsame Hinüberwachsen in die neue Situation, die nette kleine Hundedame, die einen Nervositätsanfall bekommt, wenn es abends nach getaner Arbeit nicht auch einmal eine mindestens halbstündige Kuschelstreicheleinheit mit der Frau Schäferin gibt, der alte gutmütige Hüteexperte, der sich liebend gerne schon mal vor den Ofen verzieht, wenn Alva „noch fertig macht“ und die friedlichen Büroabende, wenn alle drei Hunde immer mal schlaftrunken an mir vorbei tapern und sich klatschend-plumpsend irgendwo anders im Wohnzimer niederlassen, um dort dann weiterzuschnarchen – ich könnte endlos aufzählen.

Aber hier reicht es erstmal. Wir machen jetzt einfach weiter. Gemäß des Auswahlkriteriums für den neuen Arbeitshund: „Entscheide doch mit dem Herzen.“ Das ist immernoch die beste Grundlage, um mit Hunden, die jahrelang treu und unermüdlich einfach da sein werden, zusammenzuwachsen.

Bürozeit: Alva muss kuscheln…

 

 

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

5 Kommentare

  1. gabi 9. April 2018

    Hallo Anke,
    das hat mir gerade großen Spaß gemacht, deinen Artikel über deine Hunde, speziell über Alva und den Hüteaufgaben zu lesen. Ich hab die drei ja schon häufig erlebt und gesehen, wie gut sie sich untereinander verstehn. Toll gemacht Frau Schäferin!!!

  2. gabi 9. April 2018

    ach und wieder so super Fotos!!

  3. Britta 17. April 2018

    Hallo, Frau Schäferin! Als stille und tendenziell eher gelegentliche Mitleserin möchte ich an dieser Stelle gerne „Danke“ sagen – ganz besonders, dass Sie die Geschichte von Alva erzählen und so schöne Bilder dazugeben.

    Ich hoffe, Sie und Ihr Blog bleiben uns lange erhalten 🙂

    • Schaeferin 17. April 2018 — Autor der Seiten

      hallo stille mitleserin britta,
      ja, ich hab vor, noch ganz lange dabeizubleiben – und danke meinerseits für den lieben kommentar! gelegentliche kleine kommentare machen mir auch freude. 😉
      angenehme lektüre wünsche ich noch bei dem ein oder anderen artikel….

Schreibe einen Kommentar zu gabi Antworten abbrechen

© 2024 Die Schäferin vom WeidenHof

Thema von Anders Norén