Die Schäferin vom WeidenHof

Nebla und die Nebelschafe

Zeit, auf die Weiden zu ziehen

Manchmal ist es etwas schwer. Abgesehen davon, dass es sowieso nie ganz einfach ist, mal eben ein paar Schafe zu haben und davon irgendwie zu leben. Was bedeutet das: „Ich habe Schafe.“? Das sind Wesen, die glücklich sein wollen, so wie wir. Wesen, die Schmerzen vermeiden wollen, so wie wir, die sich fortpflanzen, atmen, krank sein können, sterben, oder in der Sonne dösen, einander mögen, sich streiten, albern sind oder genusssüchtig daherkommen – alles so, wie wir Menschen es von uns auch kennen. Und ich? Ich „habe sie“. Sie gehören mir und ich entscheide über ihr Leben, über die Art wie sie leben und über ihren Tod. Wer gibt mir das Recht dazu? Ich nehme es mir einfach, indem ich sage: Ich bin Schäferin, das bin ich gerne.

Es macht mir Spaß, ich mag Schafe, ich kann das irgendwie – mit diesen Wesen umgehen – und weil ich es so gerne tue – das Schäfern – habe ich für mich entschieden, es zu meinem Leben zu machen. Und ich esse das Fleisch meiner Schafe. Auch das tue ich gerne. Ich kann Schnitzel aus sonstwo oder von welchem Tier, wie auch immer notdürftig gehalten, nicht mehr so gut essen. Ich tue es, weil ich ja auch mit Menschen zu tun habe, die es mir eventuell freudig angeboten haben und ich mit diesen Menschen dann gerne diese Freude teile. Aber wo es geht, versuche ich, solches Fleisch zu vermeiden. Bei meinen Schafen weiß ich, dass sich jemand bemüht hat, ihnen ihr Leben so gut wie nur möglich zu gestalten. Und irgendwann werden Schafe alt, sind müde oder abgekämpft, oder es sind Bocklämmer, die sowieso nicht alle vom Hof ernährt werden könnten. Also entschieden wir – entscheide ich – dass diese Tiere gehen. Sie werden geschlachtet und ihr Fleisch liegt dann Sonn- oder Feiertags auf meinem Teller und die Menschen, die von unserem Hof essen, erhalten das „Produkt“ meiner Bemühungen um eine möglichst verantwortungsvolle Haltung und respektvolle Beziehung zu diesen Lebewesen. Das ist Nahrung – „Lebens-mittel“ und Stoff für die Seele.

Im Frühjahr ist Schlachten ja nicht so sehr unser Thema. Da grünt und blüht es langsam, die Mamas haben Hunger und Lämmer wuseln durcheinander und ich sehe ihnen beim Wachsen und Werden zu. April oder Mai beginnt die Weidesaison für die Schafe. Wir ziehen tagsüber raus und abends dürfen die Lämmer noch im warmen oder trockenen Stall schlafen. Bis die Lämmer größer und widerstandsfähiger sind, hole ich die Schafe abends bei schlechtem Wetter immer rein, bis sie eigentlich den Sommer und Herbst über draußen schlafen dürfen.

Frühjahrsweide ist eines der schönsten Dinge im Schafleben…

Auch für die wilden Tiere da draußen ist es eine aufregende Zeit, das Frühjahr. Auch sie haben ihre Rhythmen, so wie wir in unserer Schäferei. Vögel brüten, unsere Rauchschwalben sind zurückgekehrt und besetzen ihre teilweise jahrzehntealten Nester in unseren Hofgebäuden, in denen sie schon geboren wurden, um nun selbst zu brüten. Feldhasen springen auf, wenn wir über Weide und Acker laufen und bald darauf sehen wir auch die kleine Hasennachkommenschaft sich ins Gras ducken, wenn wir vorbei gehen. Die Rehe gehen noch hochträchtig und die Jungtiere vom letzten Jahr sind das erste Mal alleine unterwegs. Neulich hing so ein Schmalreh – so eine junge Rehdame, deren Zahnwechselfortschritt ähnlich aussah, wie bei meinen Schafjährlingen, bei mir im Zaun, als ich morgens mit den Schafen auf die Weide kam. Kleine Rehe – Schmalrehe – verfangen sich manchmal bei mir im Netz, sie sind noch unerfahren ohne ihre Mutter, die die Zäune schon kennen. Ich habe sie mühsam aus dem Netz gepellt, da sie sich ordentlich eingewickelt hatte. Man konnte ihre Todesangst in ihren Schreien hören, Ich habe versucht, sie zu beruhigen, wie ich meine Schafe beruhige, wenn sie bei irgendeiner Behandlung panisch werden. Natürlich hat sie nicht so darauf regiert, wie meine Schafe. Sie ist frei, kennt mich nicht, ist es gewohnt, alleine ohne Menschen zurecht zu kommen. Wir hatten eine Art Übereinkünft: alles gut, ich hol dich da raus und sie schrie erstmal nicht mehr. Und ihr Herz klopfte ein wenig langsamer. Nach gefühlt ewigen Zeiten war sie aus dem Netz gewickelt, ich ließ sie hochspringen und sie trabte davon in den Wald. Nicht langsam, aber auch nicht panisch flüchtend. Schön. Unser Hof hört nicht an seinen Grenzen auf, zumindest nicht die Natur, deren Teil er ist. Wir bewirtschaften ein Stück von ihr, was wir unseren Hof nennen, aber wir teilen das Land mit vielen anderen, wie Ameisen, Vögeln, Käfern, Hasen, Füchsen, Schmetterlingen, Fledermäusen, Blindschleichen, Fröschen, Rehen, Kranichen, Mäusen und vielen mehr, die Teil der Lebensgemeinschaft auf diesem Land sind. Alle sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden und leben von dem Land hier, so wie wir Menschen und unsere Hoftiere auch. Wer bestimmt hier eigentlich über wen und wie?

Mittagspause – auch bei den Schafen

Abends holte ich meine Schafe wieder rein. Doch es wäre schöner gewesen, hätten sie draußen schlafen dürfen. Der provisorisch neu hergerichtete Unterschlupf für die Nacht mit seinen  Hochsicherheitsvorkehrungen ist noch nicht ganz nach meinem Geschmack. Angenehmer fände ich es in trockenen Nächten, sie draußen zu wissen. Doch da draußen läuft der Wolf.

Keiner weiß etwas. Sie sind da, die Wölfe und tun Dinge, die für uns Schäfer nicht schön sind. Punkt. Fakt. Ohne Frage. Viele reden über Herdenschutz und Zäune, aber keiner weiß etwas. Es geschehen trotzdem Dinge. Trotz der Zäune.

Was sollte ich nun tun? Ich bin verantwortlich. Es sind „meine“ Schafe. Ich bestimme, wie sie leben. Oder sterben. Und ich habe irgendwie keine Lust, „auszuprobieren“, ob der Zaun und der Strom halten. Dafür erscheint mir der „worst case“ einfach zu grausig. Aus den Erfahrungen der Schäfer gibt es viele gerissene Tiere in einer Nacht, mehr als Wölfe in dieser Nacht aufessen können. Teilweise finden Schäfer Tiere, die einen „Riss“ veranschaulichen: aufgerissene Bäuche an lebendigen Schafen. Die ich dann töten muss, um ihr Leiden zu verhindern, zu beenden. Das ist nichts, womit man mal ein bisschen „rumprobiert“, ob Zäune halten. Das ist verdammt ernst.

Also hole ich sie nachts rein und habe ihren Stall mit vielen Litzen, auf denen tausende Volts wummern, umwickelt. Jede Caniden-Nase würde daran gebraten werden. Mein Hütehund geht schon ein paar Schritte zur Seite, wenn ich das Netzstromgerät anschalte, auch wenn er nur auf dem Boden neben den Litzen steht…. Das sollte halten.

Schön ist das nicht. Schöner war es früher, wenn ich spätabends zur Entspannung nochmal einen Rundgang bei den Schafen auf der Weide gemacht habe, der Vollmond schien und es war so hell, dass man alles sehen konnte. Auf der graugrünlichen Wiese lagen versprenkelt liegend dösende Wollhaufen und käuten das Gras des Tages, hoben müde den Kopf, wenn ich vorbeikam und senkten die Augenlider wieder. Noch eine Zigarette auf der Weide, den Schafen beim Dösen zusehen und dann zurück…

Viele meiner Schäferkollegen haben gar nicht die Möglichkeit, ihre Schafe abends immer reinzuholen, besonders  wenn die Schafe auf Naturschutzflächen weiden. Und gesünder ist es für die Schafe ohne Zweifel, wenn sie hauptsächlich draußen sind, besonders in der Weidesaison.

Es hat ein neuer Mitbewohner dieses Land betreten, dessen Anwesenheit natürlich auch auf alle anderen Bewohner wirkt. Wir Menschen vergessen allzu gerne, dass alles miteinander eingespielt ist, alles seine Rhythmen hat. Ein neuer Mitspieler verändert oftmals das Spiel auf eine Weise, die erst viel später ihre Spuren und Ergebnisse erkennen lässt. Wir wissen noch nicht, wohin uns dieses neue „ökologisch gesunde“ Gleichgewicht mit dem Wolf führen wird. Dafür sind die Strukturen des Lebendigen zu komplex.

Damwild

Damwild – eines der frei lebenden Tiere, die sich auch auf unseren Flächen tummeln, hier an unserer Kranichweide in die Fotofalle getappt.

Es ist schwer, das „Richtige“ zu tun. Beim Tun merkt man oft, wie man sich mit anderen Wesen verstrickt, deren Verhalten zwischen die eigenen Vorhaben kommt. Ich will Schafe ökologisch sinnvoll auf der Weide halten. Aber es verfangen sich Rehe in meinen Netzen. Ich erhalte wertvolles, artenreiches Grünland durch Schafbeweidung, aber ich bin dafür verantwortlich, dass Kitze geschreddert werden, wenn wir Winterfutter erzeugen, auch wenn wir vom Hof uns nach Kräften bemühen, die Wiesen vor der Mahd abzusuchen. Wir Menschen tun nicht nur Gutes, wenn wir vermeintlich „gut“ handeln. Wir können nur immer abwägen und versuchen, das sinnvollste, was uns im Moment möglich ist, zu tun. Ob es gut ist, einen einzigen Bewohner des Landes besonders zu beachten und zu schützen, während man alle anderen dazu außer Acht läst, wage ich zu bezweifeln. Es werden sich viele Dinge verändern, aber wir werden sehen. Wir Schäfer werden sehen. Oder andere, die draußen ihre Zeit verbringen und versuchen, sinnvolle Arbeit in der Natur zu leisten.

Bis heute konnten Schäfer wohl vieles beobachten, wie sich die Dinge verändern, wenn man einzelne Dinge tut. Wie viel weniger Insekten die Wanderschäfer auf ihren Wegen quälen? Schön oder. Ja, aber genauso weniger Singvögel gibt es und umso stummer wird es. Wie interessant es ist, offener Landschaft bei der sukzessiven Verbuschung zuzuschauen. Da wo früher Schafe geweidet haben und dann die Bewirtschaftung unmöglich gemacht wurde, durch Bürokratie oder was auch immer… Da wo früher Schafe geweidet haben, hatten Bodenbrüter ein zuHause. Man staunt nicht schlecht, wenn man sogar  auf einer abgeweideten Rinderweide auf dem WeidenHof ein völlig intaktes Gelege findet. Da müssen die tonnenschweren Rindviecher tatsächlich drumrumgegangen sein und die Anwesenheit der Rinder schützt vor nächtlichen Räubern wie Füchsen oder Waschbären…. Das alles sind Kleinigkeiten, die einem bei der Arbeit draußen begegnen. Kleinigkeiten, die andere Menschen, die für eine Idee brennen, die Wildhheit und Ursprung symbolisiert, nicht kennen, vielleicht auch nicht schätzen. Kleine grünschillernde Käfer oder der Zusammenhang zwischen Beweidungsart und Vorkommen von Zecken, sind vielleicht Dinge, die einem Schäfer auffallen. Und sie sind natürlich nicht so wild und cool wie ein Wolf. Aber letztlich wird der Wolf auch Auswirkungen auf den kleinen grünschillernden Käfer und seine Kollegen haben, nur dass es Jahrzehnte dauern wird. Denn die Köttel, die die Schafe normalerweile des nachts draußen hinterlassen haben und an denen die Käfer sich dann laben, liegen nun im Stall. Aber das fällt nur dem Schäfer auf. Ob es Schäfer dann noch geben wird, die draußen mit den Tieren sind? Was wird sich verändern in der Lebensweise mit domestizierten Tieren, wenn Wölfe tag und nacht angreifen dürfen und wir Menschen das zugunsten des angeblichen Artenschutzes so unterstützen?

Bis jetzt haben sich nur die Nächte meiner Schafe verändert. Ich hole sie in den Stall und tue damit was ich kann, damit sie unversehrt bleiben. Denn es sind meine Schafe und ich bin verantwortlich für ihr Wohlergehen. Ich kann nur hoffen, dass wir Menschen nicht den Blick für das Ganze verlieren und weiter dafür Sorge tragen, dass unsere Art, mit dem Land umzugehen, möglichst respektvoll ist. Es gibt genug zu tun, unserer Landwirtschaft in Gänze zu ermöglichen, nachhaltiger zu produzieren, sinnvoller zu wirtschaften, als wir es derzeit manchesmal tun.

Ich hoffe einfach auf eine friedliche Weidesaison. Schade, dass die Vollmondnächte draußen vorbei sind. Zumindest solange, bis wir besser wissen, wie man Schafe schützen kann. Und ich hoffe, dass wir lange noch unsere Tiere nach draußen bringen, wo sie sicher und friedlich leben können. Ich hoffe, dass wir Menschen uns bewusst sind, welch weitreichende Konsequenzen im Gesamten unsere Entscheidungen haben können. Und dass wir Menschen immer versuchen, das möglichst Sinnvollste zu tun.

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

2 Kommentare

  1. Christiane 10. Mai 2017

    Sehr schön geschrieben! Wohl überlegte Worte, keine Hetze für oder gegen etwas! Große Klasse!

    Schau Dir das mal an:

    https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=810945719072741&id=364861850347799&ref=bookmarks

    Viele Grüße!

    • Schaeferin 10. Mai 2017 — Autor der Seiten

      hallo christiane,
      danke für deinen kommentar! ich habe auch nie die absicht für oder gegen etwas zu hetzen, denn das ist das falscheste, was wir tun können. ich bin einfach gerne eine beobachterin, anders könnte ich mit meinen schafen nicht leben. schafe können dir nicht sagen, ob und wo es ihnen weh tut, das muss ein schäfer oft über lange zeit lernen, an ihrer miene abzulesen. mit der zeit bekommst du dann eine sensibilität für schaf-gesichtsausdrücke und mir ist es schon oft untergekommen, dass ein besucher sagte: sehen toll aus. aber ich habe förmlich gesehen, wie die würmer durch die schafe krochen. das ist, was ich in dem text gerne verdeutlichen wollte. es macht einen unterschied, ob man sich gedanken über etwas macht, oder ob man mittendrin steht und sieht, riecht, fühlt. dabei ist es egal, ob es sich um schafe, käfer, vögel oder schmalrehe handelt. wenn du vor ihnen stehst, sie tag für tag siehst, versorgst, rettest oder anders mit ihnen konfrontiert wirst, änderst sich oftmals was im menschen selber. deswegen bin ich fürs hinschauen, dann verändert uns die natur, wenn wir es zulassen und uns berühren lassen. und dann hören wir vielleicht auch auf, der natur unseren willen aufzuzwingen.
      deinen hinweis auf die wolfsgeschichte im yellowstone-park finde ich sehr schön. wir brauchen so dringend gleichgewichte, um das überleben aller zu sichern. allerdings ist es für mich an der stelle kein hilfreicher hinweis für den umgang mit wölfen in deutschland. ich glaube, ich weiß nicht genau, wie du den hinweis mit dem video meinst. der yellowstone mit einer fläche von fast 9 tausend qkm bekam 14 wölfe und das wunder geschah. allerdings ist es für mich nicht so sehr ein wunder, denn ich erlebe tagtäglich im kleinen, dass selbst kleinste lebewesen massiv etwas verändern können. (z.b. die raubmilbe rettet unsere gesamte gurkenernte) aber gut, die geschichte nahm ihren lauf und für den yellowstone war es gut.
      der heidekreis, in dem ich meine schafe halte, ist nur 4,5 mal so klein, also knappe 2 tausend qkm und beherbergt mittlerweile wieviele von den hundert wölfen in niedersachsen? und einen gravierenden unterschied gibt es zwischen dem yellowstone und dem heidekreis: der yellowstone ist nationalpark und unesco-weltnaturerbe. nationalparke zeichenen sich dadurch aus, dass auf insgesamt 75% der fläche die bewirtschaftung ruht. sie sind großräumig unzerschnitten und vom menschen unberührt, damit ein ungestörter ablauf der naturprozesse in ihrer natürlichen dynamik stattfinden kann. das ist das, was mit den 14 wölfen (und später mehr) dort geschehen ist und lösgelöst vom menschen sicherlich eine wunderbare selbstregulierung der natur an diesem ort war. ja, solche geschichten finde ich unglaublich toll. dass natur „amazing“ ist, wie im video gesagt wird, erlebe ich aber auch im heidekreis.
      nur der unterschied ist, dass hier alles vom menschen bewohnt ist und dass wir auf dem land im heidekreis wirtschaften, um zu überleben. wie das wort „heide“ schon sagt, ist es eine vom menschen vor jahrhunderten geschaffene kulturlandschaft, also das genaue gegenteil des yellowstone. ich liebe die heide, die einsamkeit der weiten landschaft, die knorrigen wacholderbäume in violetter blühlandschaft, den sandigen boden und die moore zwischendrin. ist das nicht auch schöne natur, obwohl vom menschen und schafen gemacht? heide entstand nur durch nährstoffaustrag durch heidschnucken und plaggen durch die heitjer zur früheren zeit. die einzige mögliche bewirtschaftungsform auf diesen kargen böden. ich finde es genauso „amazing“, wie menschen mit so wenig ausgekommen sind und so ausgeklügelte standortangepasste bewirtschaftungsformen entwickelt haben. heute kommen scharenweise touristen, um diese „schöne natur“ zu bewundern. heute stehen rings um eine zusammengeschrumpfte echte heide reihenweise maisfelder und laugen unsre böden aus. feldhasen werden von güllewagen geduscht und mit bakterien übergossen und bauern – besonders kleine familienbetriebe, nicht die großen agrarkonzerne – kämpfen ums überleben, sowie die feldhasen. dabei hat die heide noch mehr zu bieten. damwild, was wild hier langwandert und von mir heimlich beobachtet wird. erst waren es nur weibliche tiere, jetzt haben wir abgeworfene geweihstangen vom damhirsch gefunden und ich freue mich diebisch, denn es könnte sein, dass meine kamera demnächst ein damkalb einfängt? es reicht mir das zu sehen, denn es berührt mich, wenn sie hier zurecht kommen und geeigneten lebensraum finden. ich muss sie nicht „besitzen“. ich wunderte mich über den kleinen gelb-grünen vogel, der immer neben meinen schafen herumhüpfte und sich mit ihnen während des grasens zu unterhalten schien. ein bodenbrüter ist das, die schafstelze, die nur dort lebt, wo weidetiere draußen leben dürfen. all das finde ich genauso „amazing“ und es erfüllt mich mit freude, dass ich einen hof bewirtschafte, auf dem all diese tiere leben können und keine maisreihen gepflanzt werden und keine gülle verspritzt wird.

      der vergleich mit dem yellowstone führt uns leider in die irre, denn genau dasselbe, was für den yellowstone so schön war, ist im heidekreis die extensive und ökologische bewirtschaftung. das ist die suche nach dem gleichgewicht, dem lebensraum für alle. aber da heidekreis und yellowstone – heidekreis violett, yellowstoine gelb – so unterschiedlich sind, sind nicht dieselben methoden der richtige weg zum ziel. ich lasse dein video aber sehr gerne hier stehen, denn ich finde es wichtig, dass wir menschen den unterschied sehen zwischen unberührter natur und dem ringen des menschen um eine bewusste und verantwortungsvolle bewirtschaftungsform. interessant fände ich in dem zusammenhang die idee, in biosphärenreservaten zu wirtschaften, da es dort um vielfältige, kleinteilige strukturen geht und um schonende bewirtschaftung. das wäre für mich eine idee, wie mensch und natur wieder vorsichtig, respektvoll und auf schöne art zusammenfinden können.

      unser kleiner hof sieht sich allerdings dem wolf ausgeliefert. und wenn es tatsächlich einmal zu rissen kommen sollte, weiß ich nicht, ob ich weitermachen können werde. ich kann die tiere, die ich jahrelang gepflegt und gehegt habe, die alle ihre namen von mir bekommen haben, nicht in einem solchen leiden sehen. dann gäbe es keine schafe auf dem hof hier mehr und das schöne, was im yellowstone passiert ist, geschieht hier auf dem hof nicht mehr. ich könnte die flächen dann dem nachbarn geben, der wäre froh, seine gülle irgendwo loszuwerden… ist es das, was gewollt ist? ich frage mich derzeit, wo es hingehen soll und warum geschieht, was geschieht. und warum niemand hinsieht, was wirklich geschieht. und warum der yellowstone immer herangezogen wird, um ökologisches gleichgewicht zu verdeutlichen. und warum niemand petitionen schriebt: „rettet den kiebitz im heidekreis!“. und warum bei so viel ökologischem bewusstsein der konsum biologisch hergestellter nahrungsmittel leicht rückläufig war…. aber ich bin ja nur eine schäferin und buddel die käfer aus den kötteln, knote rehe aus netzen und scheuche jungtiere auf, ehe der trekker kommt.

      also alles in allem: ich finde dein video toll und würde die haltung, die auf dem video der natur gegenüber gezeigt wird, sofort und ohne umschweife unterstützen. aber ich verstehe leider nicht so ganz, was es mir für meine schafe sagen soll.

      viele grüße!
      anke

Schreibe einen Kommentar zu Christiane Antworten abbrechen

© 2024 Die Schäferin vom WeidenHof

Thema von Anders Norén