Die Schäferin vom WeidenHof

Nebla und die Nebelschafe

Für die Sterne

„Hätt ich noch einen guten Ratschlag, würde ich ihn Euch geben. Man könnte mit dem Rauchen aufhören und würde wahrscheinlich etwas länger leben. Man könnte morgens früh aufstehen und es mal zu was bringen, zu was ganz Großem… oder statt dessen hier einfältige traurige Lieder singen…“ singt eine meiner Lieblingssängerinnen und ich werde jedesmal mitgerissen zum Tanzen, zumindest mitwippen. Was soll`s? An allen Ecken und Enden zu tun und man kommt doch nicht dagegen an. Egal wieviel man tut, was man tut, es gibt so viel, was man könnte, müsste, sollte und doch ist es nie genug. Und immer wieder, während man versucht, sich auf die Rosinante zu schwingen, um dem Kampf mit den Windmühlen aufzunehmen, beobachtet man sich selbst dabei, ratlos zurückzubleiben. Ich kann mich anstrengen, mehr arbeiten, besser sein, schneller sein, effizientere Ideen umsetzen, und doch – letzten Endes holt die Wirklichkeit mich ein. Ich bin verwoben mit der Welt und die Welt ist ein Kaleidoskop aus Dingen, Notwendigkeiten, Bedürfnissen, Beschränkungen, Sackgassen, Abhängigkeiten und den Wänden im eigenen Kopf. Was also tun? „Hätt ich noch einen guten Ratschlag, würde ich ihn Euch geben….“

Nein, dieser Weihnachtstext ist lang nicht so fatalistisch und resigniert wie es scheint. Ganz im Gegenteil. Denn gerade an diesen Punkten im Leben, wenn nichts geht, Sackgassen zum Höllenschlund werden und die Wände im Kopf kosmische Ausmaße annnehmen, hilft nur: entspannen. Hätt ich noch einen guten Ratschlag, würde ich ihn Euch geben…. Hab ich aber nicht. So isses. Klimawandel? Tja, seit langem schon erzähle ich vom Co2 Speicher Grasnarbe. Trotzdem werden meine paar Schafe dem Klimawandel nicht entgegenfressen können. Weidetierhaltung hat nicht nur was damit zu tun, dass wir „gutes Fleisch essen“ wollen. Sinnvolle Ökosysteme sind so viel mehr als das Steak auf dem Grill. Fliegen? Höchstens zum Stall wenn die Lämmer kommen. Oder die Mähdels Hunger haben. Aber dann so schnell mich meine Beine tragen. Und dennoch brauche ich Ressourcen auf, wenn der Trecker über Ökowiese fährt und Gras schneidet für unser Winterfutter. Also was jetzt? Gut oder nicht gut? Hätt ich noch einen guten Ratschlag…..

Die Herde im Sommer – unsere kleine Welt…

Es gibt aktuell so vieles drängendes, ohne dass wir verstehen, was unser Anteil daran ist. Boden, Klima, Wasser, Luft – alles Dinge die existenziell sind. Co2, Methan, Nitrat, Artenschwund, nebenbei ein bisschen Tierwohl und ach ja, ups, da passiert ja auch noch ein hinterhältiger Rechtsruck. Rechte Rhetorik unerkannt, schön unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit schleicht sich ein und ebnet den Weg für faschistoide Gedankenwelten. Das ist etwas, was mir am meisten Angst macht. Ich will meine Freiheit nicht verlieren. Und ich möchte niemanden jagen. Nicht jetzt und nicht später. Ich hab genug zu tun mit dem, was den Tag über getan werden will. Da beobachte ich lieber Käfer am Köttelhaufen meiner Schafe und frage mich, ob das jetzt schon weniger sind als noch vor 8 Jahren oder nicht….. denn das, was ich zu meinem Alltag gemacht habe, tue ich sehr gerne. Und ich möchte es möglichst ganz lange noch tun dürfen. Schafherde, Futter, Köttelhaufen. Mehr braucht es nicht zum Glücklichsein. Und dann kommt das Kaleidoskop aus Dingen…..

….bunt und schön bis in den Winter

Und zu den Dingen kommen schlaue Menschen, Richlinien, Empfehlungen, viel Meinung von diesem und jenem, bürokratische Hürden, Steuerrückzahlungen, Finanzämter, Versicherungen und vertragliche Bindungen, die sowieso nicht eingehalten werden… Und all das ändert nichts an der Stuation, in der wir uns befinden. Hätt ich noch einen guten Ratschlag…….

Lange habe ich gehofft, man müsste nur größer werden, älter, wirtschaftlich erfolgreicher, erfahrener, expertenhafter, angesehener, dann – ja dann würde man Einfluss nehmen können und etwas verändern. Man würde…. man sollte… man könnte… es zu etwas ganz Großem bringen…. oder auch nicht. Nein, ich bin nicht hier, um all diesen Illusionen nachzujagen. Jagen war ja eh doof. Blöde Rethorik. Sag ich doch. Ich bin lieber hier für die Schafe. Und hüte sie und liebe sie, füttere sie und helfe ihnen, ihre Lämmer zur Welt zu bringen. Was braucht´s mehr zum glücklich sein, oder Rosinante? Siehst du auch so, oder? Genau. Gut, dass wir uns einig sind.

Ich habe nach einem passenden Weihnachtslied gesucht. Schwer dieses Jahr, ganz schwer. Sentimentales wir-müssen-uns-alle-lieb-haben-Gesäusel? Angesichts von Bauernbashing, verzweifleten Schäfern nach Wolfsattacken und Flüchtlingsphobie scheint mir das eher hilflos. Stille Nacht? Es scheint mir zu rumoren in der Welt und ein wenig warten wir alle auf den Knall. Es kommt ein Schiff geladen? Angesichts des Anstiegs des Meeresspiegels wohl eher ein Geheimtipp für kommende Jahre…. Dieses Jahr will mir nichts so recht einfallen dazu.

Kennt Ihr den kleinen Trommler? Die zweite Strophe, in der es heißt: „Bin nur ein kleiner Junge. Pa ra pa pa pam. Wo alte Könige mit Gaben steh´n laßt man vielleicht mich gar nicht zu dir geh´n. Hab ja kein Geld. Hab ja kein Geld. Kann nur trommeln für dich Pa ra pa pa pam. Wenn´s dir gefällt….“ und am Ende des Liedes wird es klar: „…und das Jesuskind Pa ra pa pa pam lächelt ihn an.“

Es ist das, was wir tun, weil wir es lieben, weil wir nicht anders können, als das zu tun, was wir lieben und es mit unserem Herzblut tun. Keine Worte, kein Geld, kein Ruhm, kein Recht – nichts von alledem erlöst, verändert, rettet. Und auch wenn wir uns von niemandem gesehen fühlen, wir insgeheim von Ängsten und Zweifeln geplagt werden, ob der lächerlichen Einfältigkeit unseres Daseins – auch davon wird uns niemand erlösen. Und auch wenn wir nichts anderes können, als auf unserer Spielzeugtrommel zu spielen – tun wirs. Und lasst es uns lieben, was wir tun. Dabei können wir gar nichts falsch machen, denn aus Ruhmsucht, Machtgier und Eitelkeit wurden schon viele Fehler begangen, aber nie aus einfacher, einfältiger Liebe.

Also wünschen meine Mähdels Euch allen fröhliche Weihnachten und den Mut, Eure ganz eigenen Spielzeugtrommeln vom verstaubten Dachboden zu holen, zu spielen, was das Zeug hält und und zu lächeln dabei. Spielt für Euch selbst, für die Sterne, für Eure Kinder, für Tiere – für was ihr wollt. Aber spielt so lange, bis ihr wirklich fühlt, dass ihr erfüllt seid von Freude und nie wieder aufhören möchtet, das zu tun, was Euch so sehr mit Freude erfüllt und auch andere zum Lächeln bringt.

Hab ja kein Geld. Hab ja kein Geld. Kann nur kuscheln mit dir Pa ra pa pa pam. wenn´s dir gefällt….. ich glaube, das ist der beste Ratschlag, der mir je eingefallen ist…. frohe Weihnachten auch euch, meine Mähdels!

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4 Kommentare

  1. Yvonne Böhme 26. Dezember 2019

    Liebe Anke,

    Du sprichst mir sowas von aus der Seele.

    Ich liebe die Art wie Du schreibst und lese Deine Beiträge sehr gerne.

    Liebe Grüße und noch einen erholsamen Weihnachtstag mit Deinen Lieben und schön, daß es Euch gibt.

    Yvonne

    • Schaeferin 26. Dezember 2019 — Autor der Seiten

      Liebe Yvonne,
      dankeschön! Dir auch noch einen schönen Ausklang der Feiertage und ein entspanntes neues Jahr!
      Immer schön Spielzeugtrommel spielen…. 😉
      liebe Grüße
      Anke

  2. Anke Heidelberg 6. Januar 2020

    Liebe Anke,

    jetzt erst in Ruhe im neuen Jahr gelesen.
    Einfach nur wundervoll und sooo wahr…
    Euch allen ein gutes neues Jahr mit allem, was da kommen möge. Schön, dass es euch gibt und wir teilhaben dürfen an euren Ideen und Produkten. Das tut so gut neben all dem lauten und unschönen auf dieser Welt.
    In diesem Sinne ganz herzliche Grüße!

    Anke 😉

    • Schaeferin 6. Januar 2020 — Autor der Seiten

      Danke Dir auch für Dein leises und sehr schönes Spiel auf Deiner Geige! Auch sowas braucht es als Gegengewicht … Freu mich auf ein Wiedersehen! Liebe Grüße

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